Wild Atlantic Way oder ein Whiskey, den es nicht gibt

Schroff und steil abfallend schieben sich die Klippen in die weiß schäumende Gischt der Ufer-Brandung hinein und erzeugen einen imposanten Gegensatz zu den sonst friedlich komponierten Elementen dieses eindrucksvollen Bildes vom Ende der Welt. Irland im Westen. Kerry, die Gegend um den kleinen, quirligen Ort Dingle ist es, die ich auf dem Wild Atlantic Way erkunde. Die bis zu den Klippen vorgezogenen, grünen Matten aalen sich im Schein der Julisonne und harmonisieren mit dem tiefen Blau des Atlantiks, der sich in Wellen an den Steilufern bricht.Weiße, fast schon karibisch anmutende Strände durchbrechen die Klippenlandschaft hier und da. Kleine, vollkommen aus Stein gebaute Kotten lockern die sattgrüne Landschaft auf durch ihre wie zufällig angeordnete Platzierung und überall entdecke ich kleine, weiße Punkte, die sich bei näherem Herangehen als den schier unerschöpflich erscheinenden Bestand an Schafen herausstellen. Lange könnte ich diese Landschaftsbeschreibungen fortsetzen, die mir an diesem sommerlichen Tag allerorts auf meine Fahrt begegnet. Denn Irland lebt gerade in dieser Gegend von seiner rauen, gegensätzlichen und atemberaubenden Landschaft. Dabei habe ich noch Glück, einen der 100 Tage im Jahr erwischt zu haben, an denen es nicht regnet in dem mit 250 Regentagen bescherten Irland.

Aus dem fernen Dublin hierher gereist habe ich meine Erkundungstour in dem kleinen, 1607 erstmals erwähnten Städtchen Dingle begonnen. Der Wild Atlantic Way schlängelt sich von dort 2500 Kilometer bis an den nördlichsten Zipfel Irlands hinauf die Küste entlang. Wo Motorradfahrer ob der charmanten Kurven ihre helle Freude am Fahrspaß haben, sind größere Fahrzeuge bemüht, die enge Küstenstraße möglichst ohne Schwierigkeiten zu überwinden. Der ständig atemberaubende Blick belohnt den Reisenden für seine Mühe.

Dingle

Eigentlich gibt es in Dingle nichts, was historisch wertvoll oder sehenswert wäre. Aber der Ort hat dennoch viel zu bieten, vor allem kulinarisch. Denn die breite Vielfalt an Restaurants unterschiedlicher Klassen ist mindestens ebenso bemerkenswert wie der Umstand, dass Dingle über eine Whiskey-Destillerie und eine Brauerei verfügt. Und so beschließe ich, diesen Ort kulinarisch zu erkunden. Eine Kochschule wäre jetzt passend. Wie gut, dass ich Mark Murphy treffe, der als Koch und kulinarischer Botschafter Irlands ansonsten Küchenchefs ausbildet an der Universität von Tralee und hier in Dingle eine Kochschule zusammen mit Martin Bealin betreibt. Was ich koche, muss ich mir zunächst im Ort beschaffen.

Und weil heute Markttag ist, besuche, ich mit Mark die kleine Ansammlung von Ständen, die sich gegenüber dem lokalen Supermarkt freitags hier einfindet. Frisch ist eben immer besser. Gemüse und die Zutaten für einen Salat kaufen wir hier ein. Käse gibt es hier auch, aber der freche Franzose, der sie hier anbietet, bewegt mich dazu, lieber den kleinen Käseladen in der nächsten Straße aufzusuchen.

Maja

Maja lacht mich hier an zwischen ihren Käsesorten stehend in dem herrlich duftenden Lädchen an der Ecke. Die deutschstämmige Einwanderin aus dem Schwarzwald kam hier schon vor 19 Jahren her und eröffnete vor fünf Jahren ihren Laden. Es war wohl die Liebe, nicht nur zur Landschaft, die sie in diese Ecke Europas brachte. Und in einem die Kochkunst betreffenden Ort wie Dingle war die Idee Ihres florierenden Ladens alles andere als Käse.

Nun aber zum Fisch, den ich kochen will. Also mache ich mich auf zum nahegelegenen Hafen ein. Malerische Fischerboote schaukeln sanft am Pier. Einer der örtlichen Fischer war bereits fleißig und hat am Morgen Seehechte geangelt. Eigentlich hätte ich da auch mit hinausfahren können, denke ich bei mir. Und Mark erklärt mir, dass die Schüler der Kochschule tatsächlich zunächst einmal ihren Fisch fangen müssen. Das erhöht nicht nur den Abenteuer-Charakter, sondern vermittelt auch das Gefühl, wie es ist, sein Essen von Grund auf selbst beschaffen zu müssen. Einen strammen Seehecht suche ich mir aus, den wir dann mit in die Küche am Rande des Ortszentrums nehmen. Ich lerne bei Mark nicht nur die grundlegenden Dinge der Küchenarbeit, sondern versuche mich auch gleich daran, den Fisch fachgerecht zu zerlegen. So entsteht mein Gericht. Die Verwendung von Algen im zubereiteten Mahl ist dabei sicherlich eine regionaltypische Besonderheit, deren geschmacklichen Hochgenuss ich anschließend zu schätzen weiß. Wird doch der Algenzweig einfach gewässert und ausgedrückt, sodass eine Art flüssiges Gewürz entsteht. So geschult genieße ich schon bald ein schmackhaftes Fischgericht, begleitet von lokalen Gemüsevariationen.

So gestärkt mache ich mich auf, die Umgebung um Dingle zu erkunden. Das imposante Blasket Island Visitor-Center im nahegelegenen Dún Chaoin vermittelt mir einen Eindruck von der Geschichte und Tradition der Menschen in der Region. Mit einem direkten Blick auf die seit 1953 unbewohnten Blasket-Inseln an der Spitze der Dingle-Halbinsel. Grund für die künstliche Entvölkerung der 12 Blasket-Inseln war die archaische Lebensweise. Auch ein Wiederbevölkerungsversuch durch deutsche Auswanderer in den 1980er Jahren scheiterte.

Gar nicht gescheitert, sondern im Aufbruch befindlich ist dagegen die erst vor drei Jahren gegründete Dingle-Destillerie, in der neben dem Haupterzeugnis Whiskey auch Gin und Vodka hergestellt werden. Ich schaue mir die einfache Halle neben der ehemaligen Mühle an, in der mir der Prozess der Whiskey-Produktion von der Maische-Gärung bis zur Destillation in einfachen Schritten erläutert wird. Auch die Möglichkeit, in einem mehrtägigen Kurs den Destillationsprozess selbst zu erlernen bietet sich mir hier.

Doch als ich die Erzeugnisse des flüssigen Goldes einmal probieren will, lacht mich der Gästeführer an. Da müsse ich am 17. Dezember 2015 wiederkommen. An genau diesem Tag wird das erste Fass Whiskey geöffnet. Denn die Mindestlagerung für Whiskey ist nun einmal 3 Jahre und früher gibt es keinen Ausschank. Das ist der Grund, warum es kaum noch Destillerie-Neugründungen gibt. Die "Durststrecke" von 3-5 Jahren ohne Einnahmen muss ein Unternehmen wie dieses erst einmal überleben. Die Dingle-Destillerie hat es da geschickt angestellt. Denn mit der Produktion von Gin und Vodka, die in wenigen Tagen abfüllbereit sind, verfügt man über Einnahmen. Die Möglichkeit, sich an der Destillerie mit dem Kauf eines Fasses zu beteiligen, bietet Whiskey-Fans zudem einen besonderen Anreiz, das Unternehmen zu fördern. Diese Chance, Mitbegründer einer Destillerie zu sein wird reichlich genutzt, lasse ich mir erklären und freue mich schon auf den Zeitpunkt der ersten Abfüllung, an dem ich den Tropfen des flüssigen Goldes aus Malz, Hefe und irischem Regenwasser endlich probieren kann.

Nach dem Whiskey folgt das Bier. Denn auch die örtliche Brauerei wurde erst vor vier Jahren gegründet. Crean heißt das Bier und ist benannt nach jenem irischen Polarforscher und Pub-Besitzer aus der Gegend um Dingle. Der aus Annascaul in Kerry stammende Thomas Crean war ein Porlarforscher, der zwischen 1901 und 1916 an drei Expeditionen des sogenannten"Goldenen Zeitalters der Antarktis-Forschung" teilnahm. Als Pub-Besitzer des "South Pole Inn", den es noch heute gibt, war Crean ein bodenständiger Geselle, dessen raue, wilde Natur man ihm bereits ansah. Und so erlebe ich in der Brauerei eine Überraschung, als mich Creans Portrait von der Wand ansieht, gemalt von der aus Deutschland stammenden Künstlerin Andrea Kurjat.

Der impressionistische Stil des Ölbildes, der sehr an die Malerei Van Goghs erinnert vermittelt ein eindrucksvolles Bild des wilden Polarforschers. Die aus Hessen stammende Andrea Kurjat, die durch ihre private Verbindung zu Dingle zahlreiche Motive des Ortes und der Umgebung in Bildern zum Ausdruck gebracht hat, zeigt einmal mehr, wie vielfältig und abwechslungsreich das Städtchen Dingle am Ende der Welt ist. In den Sphären der künstlerischen Impressionen schwebend finde ich rasch zurück in die praktische Anwendung des Bierbrauens, als ich die Führung durch die kleine Brauerei Am Ortsrand begleite. Aus Regenwaser, Hopfen, Malz und Hefe entsteht hier das frische Lager-Bier mit seinem einzigartigen, leichten Geschmack, der sehr an die Brauart des rheinischen "Kölsch" erinnert.

Genug der flüssigen Freuden wende ich mich nun dem Handwerk der Region zu und besuche eine Töpferei. Ton und Erde als natürliche Elemente werden zu wunderbaren Erzeugnissen des Alltags. So wundere ich mich nicht über die Unzahl von Tellern, Töpfen, Tassen, die mir beim Besuch der Töpferwerkstatt entgegentritt. Die überdimensional großen Masken aus Ton mit prägnanten Gesichtszügen, in denen sich das herzlich-raue und oft verschrobene Auftreten der lokalen Bevölkerung wiederfindet, versetzt mich dagegen in Erstaunen und Faszination. Beflügelt von den Gestaltungsmöglichkeiten des Stoffes Ton darf ich mich dann auch selbst an einem kleinen Objekt versuchen und töpfere hier meine erste Vase. War ja gar nicht so schwer, Übung macht den Meister denke ich bei mir und erfreue mich ob des gelungenen Ergebnisses.

Die Offenheit der Menschen in dieser Region erlebe ich in den wenigen Tagen, die mich in der Gegend um Dingle umhertreiben hautnah und allerorts. Denn die ganz im Gegensatz zur rauen Landschaft stehende Freundlichkeit, die einer tief verbundenen Herzlichkeit überrascht mich. Unwillkürlich denke ich an einen jungen irischen Whiskey der rau auf der Zunge brennt und mit einem milden Abgang besticht. Diese Eigenart der in Irland meist dreifach destillierten Spirituose drängt sich mir auf, in der Betrachtung der Charaktere des Landes. Auf den ersten Blick rau ist der Kern weich und freundlich, bodenständig und ohne Schnörkel. Irisch eben. Macht es die Seeluft oder ist es der Whiskey-Genuss, der mich zu derartigen Vergleichen bewegt? Ich weiß es nicht, aber recht behalten sollte ich doch mit meiner Menschen-Einschätzung, denn die Mentalität ist einzigartig, verlangt nach mehr – und Meer. Und davon gibt es beiderseits hier reichlich. Grund genug, sich künftig noch mehrfach in diese Gegend am westlichen Ende der Welt aufzumachen.

Text und Fotos: Philip Duckwitz

Wie kommt man hin?

Am besten reist man mit dem Flugzeug nach Irland. Hier kann man mit Aer Lingus bis Dublin fliegen ab Düsseldorf oder Frankfurt und dann weiter mit einem einstündigen Inlandsflug nach Kerry.

Währung

In Irland gilt der Euro.

Unterkunft

In Dingle kann man gut im gehobenen Stil wohnen im Benner`s Hotel. Alternativ bietet sich das Dingle Bay Hotel mit Blick auf den Hafen als gute Übernachtungsmöglichkeit an.

Restaurants

In Dingle gibt es zahlreiche, gute Restaurants jeder Klasse. Das beste Fish & Chips Restaurant liegt am Hafen gegenüber dem Tourismusamt und heißt "Reel Dingle Fish". Als gute Alternative für das sehr teure Restaurant "Global Village Restaurant" bietet sich das "The Boat Yard" an. Grandios vom Blick, einzigartig und echt irisch in der Küche ohne abgehoben-elitär zu sein ist das etwa 20 Minuten Fahrt außerhalb von Dingle gelegene Restaurant mit Hotel "Gormans Clifftophouse" mit Blick auf die "Thre sisters"- Hügel 

Kochen und Essen

Die Dingle Cookery school lohnt sich für alle, die sich mit der irischen Küche vertraut machen wollen. Der Käseladen "the little cheese shop" in Dingle bietet alle Käsesorten der Region an. 

Cafes & Eis

Ein absolutes Muss ist der Genuss in einem der beiden Eisdielen von "Murphy´s Ice Cream".
Tea Time auf echt irische Art genießt man entweder im "Pie Cafe & Tea Rooms" oder
im "Cul Gairdin Wholefood Cafe"

Pubs

Auch Pubs sind zahlreich und gut in Dingle vertreten. Einer der ausgefallendsten Bars ist der Trödelladen "J. Curran", der tagsüber ein Laden und abends eine Bar mit toller, irischer Atmosphäre ist. Die außen rot angemalte Bar befindet sich in der Main Street neben dem "Global Village Restaurant" Außerhalb Dingles auf dem Weg durch Kerry gelangt man im Dorf Anascaule in den South Pole Inn, der einst von Thomas Crean gegründet wurde und bis heute besteht.

Attraktionen

Die Dingle Destillerie neben der alten Milltown ist ein Besuch wert, sie befindet sich am Ortsrand, auch die Crean Brewery am Rande des Zentrums sollte man nicht verpassen. Auch kann ein Besuch im Blasket Islands Visitor Center, 1 Stunde entfernt von Dingle, sehr informativ sein. Unbedingt sollte man die Töpferei "Louis Mulcahy pottery" besuchen, in der man selbst auch etwas töpfern kann, dass einem dann nach Hause (weltweit) zugesendet wird. 

Bei gutem Wetter lässt sich am Hafen eine Bootsfahrt unternehmen, bei dem auch der ortsansässige Delphin "Fungie" zu beobachten ist, der seit vielen Jahren im Hafenbecken lebt und eine Touristenattraktion ist.

Fragen zum Tourismus in Irland beantwortet Irland Information.


Impressionen



















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