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Indien 3                                               <<       >>

Liebe Freunde, nun hat es etwas länger gedauert, als geplant, um Euch den Abschluss der Indienfahrt zu schildern, aber manchmal bekommen die Dinge eine eigene, wachsende Dynamik, die einen unter Anspannung hält und damit davon ab, seine Gedanken zu sammeln. Der Reihe nach. In Madras/Chennai (der Sieben-Millionen-Stadt ohne Wolkenkratzer und nur wenigen Hochhäusern) eingetroffen, hatte ich mich zur Tourist Information durchgefragt, wo man mir ein nahe gelegenes Hotel empfahl, wo ich mich auch einquartiert habe: einfach, nicht ganz billig, aber sauber und gut geführt. Außerdem in günstiger Entfernung für meine Erkundungs-Fußmärsche zu den wichtigsten Zielen.

Schon während der Fahrt nach Süden waren allmählich Wolken aufgezogen, erst leicht, dann immer dichter, so dass ich schon darauf eingestellt war, noch vor Madras in die Regenkleidung schlüpfen zu müssen. War nicht nötig, aber in der ersten Nacht nach der Ankunft fing es an, nein, nicht zu regnen, es fing an, aus Kannen zu gießen, ich bin vom Trommeln des Regens und den Donnerschlägen eines gewaltigen Gewitters aufgewacht.

Draußen auf der Straße standen riesige Pfützen, kleine Seen, ich war froh, dass das Hotel etwas höher in der Stadt lag. Irgendwann wollte ich, um die Zeit zu nutzen (Spaziergang war nicht!), zum Max Müller-Bhavan, wie in Indien das Goethe-Institut heißt, fahren. Ich saß schon im Tucktuck, als ein Pärchen mit einem solchen angefahren kam, das Mädchen sprang aus ihrem Fahrzeug, laut schreiend "don't, don't, it's impossible, You cant go into the town!!!". Sie waren mit einem Tucktuck unterwegs und sind an einer tieferen Stelle buchstäblich abgesoffen, mussten aussteigen und, beinahe bis zur Hüfte im Wasser, sich aus der Situation retten.

Es war eine Monsunkatastrophe, große Teile der Stadt standen unter Wasser, noch am vierten Tag danach habe ich beobachtet, wie in einem tiefer gelegenen Stadtviertel Menschen, fast bis zur Brust im Wasser, ihr Hab und Gut, z.B. einen Fernseher, auf dem Kopf zu retten versuchten, Ältere wurden mit Booten aus ihren Häusern evakuiert. Von Notküchen aus wurden über eine Mauer Speisen an die Menschen ausgegeben. An Aktivitäten war die ersten beiden Tage gar nicht zu denken, ab dem dritten habe ich dann wenigstens ein bisschen unternehmen können, aber nicht sehr erfolgreich: für den geplanten Museumsbesuch (der Zugang stand noch ca. 30 - 40 cm unter Wasser) haben die mir
zwar unverschämte 250 Rupien abgeknüpft, dafür war nur ein Teil, nämlich die Bronzensammlung, zugänglich. Ich musste an Lahore denken, wo mir durch das Erdbeben der Museumsbesuch unmöglich war.

Die Sammlung der Bronzen, die über mehrere Jahrtausende geht und überwiegend Hinduismus, aber auch Buddhismus darstellt, ist durchaus beachtlich, wenn, wie meist in solchen speziellen Gebieten, auch nur der Fachmann die Feinheiten unterscheiden kann. Mich hat ein Detail fasziniert: ein Wissenschaftler hat die Theorie aufgestellt, dass es Verbindungen zur Maya-Kultur gab. Und tatsächlich haben eine Reihe von Figuren aus der Vor-Christuszeit ungewohnliche Details, in Gesicht, Augen, Nase, Mund, auch Schmuck und Kleidung kann man ohne Fantasie südamerikanische Formen sehen, wie sie sonst nirgendwo in der indischen Kunst auftauchen. Wenn man sich die vorchristliche Verbindung Indiens und Ceylons in den Mittelmeerraum vor Augen führt, ist es, nach Thor Heyerdahl, nicht unmöglich, dass es auch über den grossen Pazifik Kulturaustausch gegeben hat.

Von den Überschwemmungen waren natürlich auch weite Landstriche im Süden von Indien betroffen, sodass an eine fluchtartige Weiterfahrt nicht zu denken war. Irgendwann habe ich dann eine Stadtrundfahrt gemacht und sonstiges zu erledigen versucht, z.B. endlich meine Aufnahmen auf CD brennen zu lassen. Letzteres erfolglos: ich bin zwar ca. 1 1/2 Tage durch die Stadt gelaufen, um einen Laden zu finden, der das macht.

Natürlich habe ich auch in Madras wieder andere Touries getroffen, darunter zwei Engländer, die unterwegs waren, um sowohl in England als auch in Asien die SOS-Kinderdorf-Idee besser bekannt zu machen. Es war sehr interessant, sich mit den beiden zu unterhalten, ihre Aktivitäten waren sehr fantasievoll gestaltet. Es ist ganz generell immer wieder schön und angenehm, anderen Reisenden zu begegnen, es unterbricht das Einerlei, und häufig sind es interessante Menschen.

Langsam, aber sicher, kam bei mir die Frage auf, ob die geplante Südschleife noch Sinn macht - als dann die Meldung über den zweiten Taifun, der sich aufbaute, auftauchte, habe ich mich spontan entschieden, kurzfristig aus Indien abzureisen, zwar mit einem leichten Bedauern einerseitsweit, überwiegend aber mit einer fast euphorischen Erleichterung andererseits. Ab da hat sich die Spirale immer schneller gedreht: Schiffs-Agentur suchen (aus Kostengründen war schnell klar, dass nur der Schiffstransport in Frage kam, und dies nach Port Klang/Malaysia), Konditionen klären, Termine absprechen, Dokumente vorbereiten, Weiterflug nach Sri Lanka für mich arrangieren, usw.

Ich saß gerade bei dem Manager der Agentur, hatte meinen Schiffstransport bezahlt, wir besprachen das weitere Vorgehen, als zwei seiner Mitarbeiter mit betretenem Gesicht ins Zimmer kamen. Nach kurzem Gespräch zwischen den dreien war ich der Frage konfrontiert, ob ich mein Motorrad kurzfristig noch an diesem Tag übergeben könnte. Hintergrund: der zweite Taifun näherte sich rasch, der geplante Transport würde bestimmt verzögert werden, einzige Chance, das Motorrad mit einem Schiff zu schicken, das am nächsten Tag auslaufen sollte. Ich musste nicht lang überlegen: zurück zum Hotel, Gepäck vorbereiten, Fahrt zum Speditionsbereich (es hatte schon wieder die ersten kräftigen Monsunschauer), Maschine zum Einpacken (große Kiste) vorbereiten, auf die Zollbeamten warten, nach der Abnahme Maschine einpacken, Kiste zu, Affe zurück zum Hotel.

Am nächsten Tag gleich morgens den Flug klarmachen, 24 Stunden später war ich schon unterwegs nach Colombo/Ceylon - und mein Motorrad, trocken im Container, auf dem Weg nach Klang. Und damit Euch der Appetit nicht vergeht: Ceylon wird ein eigener Bericht.

Mir kam natürlich die Frage, wie ich denn nun Indien, die Inder erlebt habe. Indien ist ein Land, das polarisiert, es gibt sicherlich kaum jemanden, den es neutral, unberührt lässt. Wer nur ein paar Maharadscha-Paläste in Rajasthan oder die Moghul-Bauten im Nordwesten und Westen gesehen hat und sich dann, vielleicht, noch mit dem alten Kunst- und Kulturerbe eingelassen hat, kann leicht ins Schwärmen geraten, zurecht. Auch viele Landschaften sind einfach großartig, sehenswert. Ich bedauere z.B. durchaus, die Gegend um Kochi im Süden nicht gesehen zu haben.

Gegenüber den Menschen bin ich nicht mehr so extrem aufgeladen wie früher (ich befürchte schon, das ist die langsam aufkeimende Altersweisheit....), daraus ist aber nicht zu schließen, dass ich sie jetzt ganz fest in mein Herz geschlossen hätte. Äußerst positiv muss man die (fast) immer vorhandene Hilfsbereitschaft ansprechen, die in der Regel weit über das bei uns vorhandene Maß hinausgeht. Der Kenntnisstand über die Welt hast sich so verbessert, wie sich die Englischkenntnisse verschlechtert haben. Aus dem früher guten Englisch ist ein für mich manchmal kaum verständlicher Slang geworden. Der Chauvinismus bezüglich der Überlegenheit Indiens über alles und jeden hat deutlich nachgelassen.

Was für den europäischen Besucher einfach schwer zu ertragen ist, sind viele Verhaltensweisen, von denen ich einige ja schon geschildert habe. Was aber wirklich immer mehr stört, je länger man unterwegs ist, sind die tags und nächstens immer gleichen Geräusche des räusperns, hustens, sprotzens, spuckens (vor allem betelrot), es gibt nur einen Spucknapf: das ist überall ausserhalb der Wohnung - für mich nicht gewöhnungsfähig!

Ein weiterer Aspekt, der zugegebnermaßen sehr individuell ist, ist mein Unverständnis für den Hinduismus, aus der auch meine Unkenntnis desselben resultiert. Ich kann mich nicht anfreunden mit einer Religion mit einer unüberschaubaren Zahl von Göttern. Ich kann und will mich nicht anfreunden mit einem Affen-, Ratten- oder Rinderkult, von Kali ganz zu schweigen, der noch dazu die Menschen in Klassen unterschiedlicher Wertigkeit einteilt. Mein persoenliches Fazit: das Positive, das der Hinduismus hervorgebracht hat, ist der Buddhismus!

Bei dieser abschliessenden Darstellung meines Indien-Erlebnisses sind sicherlich einige wichtige Aspekte zu kurz gekommen oder ganz unter den Tisch, vor dem ich gerade sitze, gefallen. Ich hoffe aber, dass sich aus der Gesamtschau meiner Indienberichte mein subjektives Bild ablesen lässt. 1963 habe ich in Calcutta Frau Greenstedt kennengelernt. Sie musste im "Dritten Reich" aus Deutschland fliehen, hat damals aber gesagt: "I left Germany for good!" - eine für eine solche Frau erstaunliche Aussage! Habe ich nun Indien "for good" verlassen? Generell sicherlich! Aber: will ich wiederkommen? Um das Taj Mahal noch einmal zu sehen: sofort! Ansonsten: eher nein! Dafür war die Erleichterung, als ich im Flugzeug nach Colombo sass, einfach zu groß!

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