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Bolivien                                                  <<       >>

ALLGEMEINES

Ich fasse diesmal, außergewöhnlich, die Etappe durch Bolivien und den kurzen Schlenker zurück nach Chile, nach San Pedro de Atacama und den Salar de Atacama (vor der Weiterfahrt nach Argentinien) zusammen.

Bolivien wurde im Laufe seiner kurzen Geschichte von inneren und äußeren Kräften gründlich durchgeschüttelt: in 145 Jahren gab es 220 Präsidenten, einer regierte 6 Stunden...

Bolivien war für mich das Land der Superlative:

  • der höchste schiffbare See der Welt: Titicaca, ca. 3.800 m
  • die höchste Hauptstadt der Welt: La Paz, ca. 3.600 m
  • die höchste Stadt der Welt: Potosi, ca. 4.100 m
  • die höchsten bis dahin überfahrenen Pässe: mehrere über 5.000 m
  • der grösste Salzsee der Welt: Salar de Uyuni, ca. 3.600 m
  • erstmals für mehrere Wochen beständig auf über 3.000 m und mehr
  • erstmals Camping über 4000 m
  • erstmals mehr "Abstiege" an einem Tag als sonst in Monaten und damit
    erstmals mehr fahrerische Dummheiten, als man freiwillig zugeben
    sollte.

Landschaft(en)

Die bolivianischen Landschaften, die ich kennen gelernt habe, sind eine Fortsetzung der Landschaften aus Peru: teilweise stärker mit Vegetation gesegnet, teilweise wieder eher wüstenähnlich, nicht
so trostlos karg wie an den Küsten von Chile und Peru, aber halt doch nur spärlich bewachsen, meist mit dem Büschelgras, das mehr oder weniger lose die Ebenen und die Berge bedeckt. Immer aber in Höhen oberhalb 2.500 - 3.000 m. Ab Cusco immer oberhalb von 3.000 m Höhe, bei Passanstiegen auf mal auf über 5.000 m. Hier in Bolivien schlage ich die bisherigen Höhen-Rekorde.

Der Bereich von weit nördlich des Titicaca-See's in Peru bis weit in den Süden Boliviens ist das bekannte Altoplano, eine Hochebene, die einmal in grauer Vorzeit von einem riesigen See bedeckt war, der durch geologische und klimatische Bedingungen verschwunden ist. Titicaca und eine Menge kleinerer Seen sind Überbleibsel aus dieser Zeit. Unmittelbare Ergänzung dazu sind die Bereiche der Salzseen, insbesondere der Salar de Uyuni und, wieder in Chile, der Salar de Atacama: auch hier vorzeitliche riesige Seen, die durch die Entwicklung geschrumpft und, mangels Wassernachschub, zu Salzseen vertrocknet sind. Jedenfalls aber Wüstengebiete, die sich von den kargen Küstenwüsten nur dadurch unterscheiden, dass es wenigstens bescheidene Vegetation gibt, mal mehr, mal weniger, nie aber üppig. Grüne Berge darf man hier nicht erwarten.

Eine Besonderheit im Rahmen dieses Reiseabschnitts waren, häufig wiederkehrend, große Bereiche mit Erosionsresten, vermutlich entstanden aus einmal recht großen Berg- und Hügelformationen (es kamen bei mir Erinnerungen an Australien hoch). Das besondere war, dass man den Eindruck haben konnte, Zyklopenspielwiesen zu sehen: als ob sich Riesen mit gewaltigen Felsbrocken beworfen hätten, die dann beim Aufprall auf die Erde in viel Stücke zersprungen sind. In einem Bereich war eine riesige schiefe Ebene, die aussah, als wäre eine überdimensionierte basaltbedeckte Fläche mutwillig in Stücke zertreten worden.

Ein weiteres bemerkenswertes Detail ist die Tatsache, dass große Landstriche fast völlig menschenleer sind, man sieht selten einmal eine Hütte irgendwo oder Tierherden, die eindeutig menschenzugehörig sind, manchmal auch mit einem einsamen Hirten.

Wege, Straßen und Verkehr

Soweit ich die Hauptstrecken gefahren bin, war ich von der Qualitätder Straßen angesichts des Rufs des bolivianischen Straßennetzes sehr überrascht. Vor allem auf der Fahrt vom Titicacasee bis Potosi
hatte ich, von ein paar üblen Bauabschnitten, fast nur beste Verhältnisse.

Von Potosi nach Uyuni war Rüttel-, Schüttel-, Stoß- und Schlag-Strecke angesagt, von harmonischer Fahrt keine Spur. Es war auch kaum Wellblechpiste, wo man wenigstens mit erhöhter Geschwindigkeit ein bisschen Ruhe in die Fuhre bringen kann. Häufig war, um das Fahrwerk nicht zu sehr zu beanspruchen, unter 40 kmh angesagt. Da es sich um eine Gebirgsstrecke handelt, die auf über 4.500 m Höhe, vielleicht sogar über 5000 m ansteigt, kann man sich auf kurvenreicher Fahrt Experimente mit überspringen der Hindernisse nicht erlauben. Leitplanken zu den teils steilen Abstürzen gibt es nicht.

Der Gipfel war dann, als zweitschlimmste Strecke auf der ganzen Reise, nach dem Pass in Afghanistan, wenn auch mit ganz anderer Strecken-Charakteristik, die Fahrt von Uyuni an den Lagunas Colorada und Verde entlang nach San Pedro de Atacama. Ich hatte nicht nur einen rabenschwarzen Tag (von drei Fahrtagen) erwischt, was meine persönliche Verfassung anbelangt, sondern, vermutlich damit zusammenhängend, auch einen Fahrtag mit so vielen gravierenden Fahrfehlern, wie man
sie in einem derartigen Bericht vielleicht besser verschweigen sollte.

Tier und Mensch

Es gibt hier wieder sehr viele freilaufende Hunde auf den Straßen - und diese Viecher haben einen großen Ehrgeiz, den vorbeifahrenden Motorradler alleine oder im Rudel anzugreifen - natürlich in der Art, unkontrollierbar vor oder neben dem Motorrad herzurennen. Eine Kollission könnte sehr schnell zum Sturz führen, es ist also äußerste Vorsicht angesagt.

Toiletten heißen hier Banjo, für die Damen ausgeschildert mit Damas, für die Männer mit Varones.

Man sieht hier (subjektiver Eindruck) sehr viel mehr indigene (Indio-) Gesichter als in Chile. Die Menschen sind sehr oft in den alten Trachten unterwegs, die Frauen tragen kecke Kleidchen, die manchmal nicht bis zum Knie reichen, aber aufgebauscht sind, als wär ein Peticoat drunter. Viele der Männer hingegen haben einen eigenartig wiegenden Gang, als ob sie grade vom schwankenen Schiff kämen. Soweit Indios, haben sie noch eine ausgeprägte weitere Eigenart: sie sind stolz auf die Mützen, die sie auf dem Kopf tragen, vielleicht deshalb, weil es zu ihrem Ehrenkodex gehört, diese selbst zu stricken.

Auch hier in Peru gibt es eine starke Rückbesinnung auf die eigene Kultur und Geschichte. Die Menschen pflegen ihre alten Bräuche und vor allem ihre alten Sprachen, in manchen Gegenden wäre es besser, z.B. Quechua zu sprechen statt Spanisch. Bis heute kann ich beides nicht, meine Fähigkeiten, mich verständlich zu machen, nehmen aber zu. Bloß verstehe ich meistens die Antworten nicht.

Umwelt

Betrüblicherweise gibt's dazu keine anderen Anmerkungen als in den letzten Berichten.

Persönliches

Ich hatte hier einige unerfreuliche Tatsachen zu verzeichnen:

  • den ersehnten Zusatzscheinwerfer konnte ich auch in Bolivien nicht finden;
  • erstmals auf der Reise bin ich auf eine äußerst fies-geniale Art von Taschenräubern erleichtert worden: siehe La Paz;
  • aus Peru habe ich eine Entzündung/Eiterung am linken Ringfinger mitgebracht, die in La Paz operiert werden musste;
  • auf der letzten Etappe zurück nach Chile hatte ich, wie oben schon angesprochen, ein gravierendes fahrerisches Tief: man überlegt sich natürlich, ob man so etwas dokumentiert! Aber da ich
    es mir zum Grundsatz gemacht habe, nicht nur über Schönwetter zu schreiben, gehört auch diese Darstellung zur Chronistenpflicht. Ich weiß nicht, ob so etwas zum natürlichen Ablauf einer solchen
    Reise gehört, mir ist es halt passiert - Ihr könnt Euch ja Euer eigenes Urteil bilden (Details in den nachfolgenden Abschnitten der Reise-Etappen.
  • und, zu guter Letzt, habe ich doch länger mit der Höhenanpassung gekämpft, als erwartet: selbst in La Paz, nach mehreren Wochen oberhalb 3.000 m musste ich immer wieder mal nach Atem ringen, der Puls war, zumindest zeitweise, zu hoch.

Ich war also in La Paz in ärztlicher Behandlung, der junge Arzt, belgisch-bolivianischer Abstammung, war gut, seine Medikation hat mir gut geholfen.

Eine, wie ich hoffe, eher erfreuliche Nachricht, etwas verspätet und nur für Insider bestimmt: dank seiner medizinischen Vorbildung und anderer Erfahrungen ist es meinem Sohn Nr. 2 gelungen, mich zum viertenmal zum Großvater einer weiteren Enkelin zu machen! Ich nehm's ihm nicht übel.
Von Glückwunsch- oder Beileids-Bekundungen bitte ich abzusehen.


REISE - ETAPPEN

Von Puno nach La Paz

Bei der Fahrt nach Süden führt die Straße immer am Titicaca-See entlang oder in seiner Nähe, teilweise durch Hügelland, so dass man immer wieder schöne Blicke auf den See hat. Er ist wirklich beein- druckend groß! Die einfachen Hütten sind meist mit Wellblech bedeckt und glänzen dadurch in der Sonne, auch von weit her. Häufig - und das wird so bleiben auf der weiteren Fahrt, auch in Bolivien - umgeben von halbhohen bis hohen Steinmauern, einfach nur aufgeschichtet. So werden Höfe, Viehpferche, Felder, Wiesen abgezäunt, oft auch am steilen Berghang. Meist sieht man, je nach vorhandenem Futter, mehr oder weniger Rinder, Schafe, selten Alpaccas oder Lamas.

Ich wähle, auch aus Sicherheitsgründen, die nördliche Route nach La Paz. Nach dem Abzweig wird es allmählich bergig, im Osten sind erste Schneeberge zu entdecken. Der Grenzübertritt gestaltet sich locker, lediglich auf der bolivianischen Seite gibt's das Problem, dass wegen Stromausfall keine Fotokopien der Dokumente für den Zoll gemacht werden können. Letztlich werden mitgeführte Kopien in englischer Übersetzung akzeptiert.

Nach zwei oder drei Passhöhen oberhalb 4.000 m bin ich an der Engstelle des Titicaca-See's angekommen, die man auf einer Fähre überqueren muss. Ein weiteres Abenteuer: mit welch wackligen Booten die dort selbst große LKWs und Busse übersetzen, würde jedem rechtschaffenen deutschen Polizisten die Haare zu Berge stehen lassen. Ich gebe zu, dass ich den wackligen Kahn nur mit Herzklopfen befahren habe (drei Bretter links, drei Bretter rechts, dazwischen Wasser). Es war mir schleierhaft, wie ich rückwärts das Boot wieder verlassen sollte. Mit Hilfe der beiden Bootsleute ist es dann doch recht reibungslos gelungen. Eine kräftige Schiebung sozusagen.

Das Landschaftsbild hat sich in Bolivien insofern geändert, als plötzlich Häuschen mit erstem und sogar zweitem Stock auftauchten, oft Aufbauten auf dem ursprünglich ebenerdigen Lehmziegelbau, dann aber mit gebrannten Ziegeln. Langsam näherte ich mich den Schneebergen, nachdem die Hochebene schon auf 3.800 - 4.000 m lag, müssen es wohl Sechstausender gewesen sein, mächtige Kolosse und Spitzen darunter.

Annäherung an La Paz

Die Vorstädte beginnen schon ca. 20 - 25 km vor der eigentlichen Stadt, chaotisch, vor allem auf den letzten 10 km, wo eine unsägliche Baustelle vor allem die Kleinbus-, Bus- und LKW-Fahrer zu
echten Fahrkunststücken zwingt. Auf längeren Stücken ist die Strecke nur einspurig, nicht alle Fahrer kennen das Gebot der Fairness, vor allem nicht gegenüber dem Motorradfahrer. Wenn sich dann zwei gegenüber stehen, sind längere Entknäulungsmanöver unausweichlich, so, wie die dadurch verursachten Staus.

Ich hatte den Eindruck, dass ein Vierradjeepfahrer die Gegend kennt und bin ihm dahin gefolgt, wo Kleinbusse, Busse und LKW keine Chance hatten: der ist zwar einige größere Schleifen geflogen, aber alles in allem erfolgreich. Ich musste zwar, nach dem Motto Augen zu und durch, durch einige Wasserlöcher, aber es ist alles gut gegangen.

In La Paz dann wieder mal die Erfahrung: die ausgesuchten Hostals sind ausgebucht, ein junger Mann im ersten angefahrenen hat mir dann aber ein ordentliches Ausweichquartier besorgt, an der steilen Bergstraße, mein Motorrad konnte ich im engen Eingangsflur parken, nachdem, weil Sonntag, die öffentlichen Parkgaragen geschlossen hatten. Die Fahrerei ist in diesen Steilhang-Gegenden wegen der konsequenten (unvermeidlichen!) Einbahn-Regelung, vor allem mit Gepäck, nicht ganz einfach - San Francisco lässt grüßen, wenn auch hier mit engeren Straßen.

La Paz

Circa 1,5 Mio Einwohner, überwiegend Amerindios, ist mit rund 3.700 m Höhe die höchste Hauptstadt der Welt, so wie der zugehörige Flughafen auf über 4000 m Höhe seinerseits der höchstgelegene ist. Die Stadt liegt recht spektakulär in einem schmalen Talkessel, den man getrost auch als Canyon bezeichnen kann. Der Höhenunterschied von den nördlichen zu den südlichen Stadtteilen beträgt, vergleichbar Teheran, ca. 1000 Höhenmeter, mit dem Unterschied, das in La Pazdie teuren Viertel im Süden liegen. Die Innenstadt liegt naturlich im Wesentlichen im Talkessel bzw. nicht weit oberhalb, die Außenviertel ziehen sich aber teilweise atemberaubend an den Seitenhängen hoch, so manches Haus ist nicht direkt mit dem Auto erreichbar.

Die Armut im Lande ist nicht zu übersehen, es gibt viele Obdachlose und Bettler.

Am Montag ist "Feiertag": Bus- und Taxifahrer streiken (die Behörden haben irgendwelche neuen Regeln erlassen). Sie blockieren alle wichtigen Straßen und Kreuzungen, an Verkehr geht nichts mehr. Also flanieren die Menschen fröhlich mitten auf den Straßen, die meisten Geschäfte und Behörden, auch die Tourist-Info, haben geschlossen, aber, natürlich, die Restaurants sind geöffnet. Und dazu ein Polizei-Aufgebot, als stünde die Revolution unmittelbar bevor.

Am Dienstag pulsiert der Verkehr wieder, ich verbringe den größten Teil des Tags auf der Suche nach dem Zusatzscheinwerfer, marschiere durch einige Stadtviertel, von Laden zu Laden, vergeblich. Sozusagen im Vorbeigehen schaute ich mir die San Franziskus-Basilika an, weil sie am Wege lag. Sie steht beeindruckend an einem größeren Platz (wo ich dann später beklaut wurde):

  • dreischiffig, hohe Bogengewölbe,
  • dreistöckiger, goldbelegter Altar mit lebensgrossen Figuren,
  • jede Menge Seitenaltare, prächtig
  • hochgelegene kleine gelbe Glasfenster, die ein eigenartiges Lichtergeben.

Alles in allem ein stolzes Beispiel der Kirchenkunst aus der Kolonialzeit.

Abends plötzlich auf dem Nebentisch: Weißbiergläser, mit einem Inhalt, der auf Champagnerweizen schließen ließ! Und das in La Paz. Vorspiegelung des schönen Scheins: der Inhalt war eine Art Pilsener, stark perlend, zwar wohlschmeckend, aber eben nicht Weizen. Was mir in all den Tagen in La Paz besonders auffiel: Menschenschlangen, manchmal hundert Meter lang und mehr. Entweder vor Banken, Behörden, vor der Wähler-Registratur usw. Und obwohl wohlgesittet, immer bewacht von einem Rudel von Polizisten. (Das Sicherheitsbedürfnis geht sogar so weit, dass auch vor Banken und großen Geschäften Polizei wacht, nicht, wie woanders üblich, uniformierte Wachdienste. Auf den Straßen herrscht, am Erscheinungsbild gemessen, ein buntes Gemisch von ganz arm bis ganz reich, darunter dann auch gepflegte, ältere Herren im Anzug, selbstsicher und stolz.

Die Entzündung/Eiterung an meinem linken Ringfinger wollte und wollte sich nicht bessern, ich musste einen Arzt konsultieren. Es gibt einen eigenen ärztlichen Dienst für die Touristen, der nette, jüngere Arzt kam zu mir ins Hostal (15 Minuten!), wir fuhren gemeinsam zu einer Klinik, wo er, wegen der erforderlichen sterilen Umgebung, die Operation vornahm. Er hat mir dann zweierlei Antibiotika verschrieben, die er zwei Stunden später persönlich (Service!) ins Hostal brachte. Kosten: alles in allem ungefähr 35 US-Dollar.

Am nächsten Tag habe ich ihn nochmal konsultiert, weil mir doch immer wieder die Atmung schwerfiel. Ich wollte nichts riskieren, nach einer gründlichen Untersuchung war klar: kein Problem mit Herz etc., lediglich zu langsame Höhenanpassung. Auch dafür hat er mir zwei Medikamente verschrieben (eins hatte ich schon seit Arequipa, aber nicht angewendet). Die Wirkung ist gut, ich muss sie aber möglicherweise einnehmen, bis ich wieder in niedrigeren Gefilden angelangt bin.

Das Großaufgebot an Polizei in den Straßen, Tage nach dem Streik der Bus- und Taxifahrer, sprengt alles, was wir uns vorstellen können.

Nach Abschluss der ärztlichen Behandlung habe ich am nächsten Tag eine Stadtrundfahrt gebucht, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Die Tour beinhaltet zwei Schleifen: das Zentrum und den Süden. Es sind deutliche Unterschiede zu erkennen. Im Zentrum ein buntes Völkergemisch, meist enge Straßen und Gässchen, Marktathmosphäre, ein Großteil der Bevölkerung Indios. Im Süden dagegen die vornehmen Viertel, wenig Menschen auf der Straße: wer da nach draußen geht, benutzt den Wagen.

Am Abend dann Einkauf fürs Abendessen, ich habe alles beisammen, mit Ausnahme einer Flasche Wasser. Auf dem Weg zum dem Standl ein komisches Geräusch hinter mir, irgendetwas hat mich links unter dem Ohr am Hals getroffen. Ich dachte, ein Vogel hätte sich versündigt. Nachdem's sich aber doch merkwürdig angefühlt hat, habe ich die rechte Hand aus der Tasche und damit von der Geldbörse genommen, die Einkaufstasche von links nach rechts gewechselt und mit dem Taschentuch den Hals abgewischt. Da war die Börse wohl schon weg! Irgend ein Fiesling hat mir an den Hals gespuckt. Wohlüberlegt. Verlust ca. 265 US-Dollar, mein Personalausweis, einige wichtige Belege, Notizen und Visitenkarten.

La Paz - Orura - Potosi

Am nächsten Tag, Freitag, den 13.10., bin ich aufgebrochen Richtung Süden, mein Ziel war Sucre, die verfassungsmässige Hauptstadt Boliviens. Der Weg aus der Stadt war das Übliche: erst starker, dann stark nachlassender Verkehr. Ich hatte keinen guten Tag, vermutlich haben die Medikamente den Körper doch stark beansprucht. Schon nach einer Stunde musste ich Pause machen. In Oruro, nach ca. 240 km, habe ich den Fahrtag beendet und mir Ruhe gegönnt, keine Besichtigung, kein Spaziergang, nur Pause, Abendessen und bald ins Bett.

Am nächsten Tag wollte ich Sucre erreichen, habe auch, trotz nicht vorhandener Ausschilderung, die Abzweigung gefunden, nur, um nach ca. 20, 25 km umkehren zu müssen: die Policia Nacional war der Meinung, die Weiterfahrt wäre zu gefährlich. Warum? Keine Ahnung! Damit war Sucre als Ziel gestrichen, ich musste mein übernächstes Ziel, Potosi, direkt anfahren (Sucre doch noch anzufahren, hätte bedeutet, von Potosi ca. 200 km wieder zurück zu fahren und dann dieselbe Strecke wieder nach Potosi).

Bei einem Zwischenstop habe ich mir Zeit genommen und mich erneut, diesmal detailliert, mit Potosi und der Strecke dorthin befasst. Zunächst ging's noch, wie gewohnt, durchs Altoplano, die Hochebene, aber die wurde bald verlassen und es ging ins immer steilere Bergland. Ein Glück, dass ich weit besser drauf war, als tags zuvor: die Fahrerei, richtig alpin, hat wirklich Spass gemacht.

In der Hochebene fiel auf, wieviel Salz in den Niederungen aus dem Boden tritt, große Flächen sind richtiggehend weiß. Es gibt Luftspiegelungen, einige größere und kleinere Seen, die Vegetation besteht hauptsächlich aus Grasbüscheln. Die Hütten und Dörfer am Weg sind äußerst ärmlich, Lehmziegelbauten (nicht gebrannt), was eine Braun-in-braun-Landschaft ergibt. Lediglich die häufig zu sehenden Wellblechdächer lockern durch ihr Blinken in der Sonne die Eintönigkeit etwas auf.
Steinmäuerchen und -mauern, knie- bis mannshoch, aus Natursteinen aufgeschichtet, grenzen 'Gärtchen', Pferche, Wiesen und Äcker, teilweise am steilen Hang, ab. Erst überwiegen Rinder und Schafe, erst später, auf Höhen über ca. 4.500 m , kommen wieder Lama und Alpacca dazu.

Die Straße windet sich langsam, aber stetig, immer höher, übersteigt wohl mehrmals die 5000-Meter-Grenze, bis sie sich vom Scheitelpunkt auch langsam, aber etwas schneller als beim Aufstieg, nach
Potosi auf ca. 4100m absenkt. Große Überraschung: am Morgen war es sehr frisch, je näher ich mich aber der 5000-Meter-Grenze näherte, desto wärmer wurde es. Ich musste meine Überjacke ausziehen. In den Alpen hätte ich gesagt: Aha, Föhn!

Potosi

höchste Stadt der Welt mit bewegter Geschichte, liegt natürlich, wie könnte es anderst sein, wieder am recht steilen Berghang, über sich den Cerro Rico, der die Geschichte der Stadt geprägt hat. Dort wurde Mitte des 16. Jahrhunderts Silber gefunden, schnell war der Ort der größte Silber-Produzent der Welt, damit bald die größte, wichtigste und einflussreichste Stadt Südamerikas.

Es war die Zeit der gnadenlosen Knechtschaft: in den 300 Jahren der Kolonialzeit kamen in den Minen ca. 8 Millionen einheimische und afrikanisch-stämmige Sklaven ums Leben. Selbst heute, wo sich die Produktion und damit ihre Methoden verändert haben, lebt ein Minero durchschnittlich nur 10 Jahre. Jeden Tag arbeiten etwa 12.000 Menschen im Berg, sie produzieren einen Abbau von über 3000 Tonnen Geröll, ein Gemisch aus Fels und unterschiedlichen Erzen, das außerhalb des Bergs mit allen Künsten der Umweltverschmutzung zerlegt und getrennt wird.

Von der gebuchten Minenbesichtigung war der Vorlauf der interessanteste Teil:

  • Treffpunkt war um 8.15 Uhr, nach sehr gemütlicher Warterei dann Abfahrt um ca. 9.15 Uhr, bolivianisch-südamerikanisch eben.
  • erster Anlaufpunkt: Einkleiden. Jeder bekam einen gummierten Anzug, wie ihn auch die Mineros tragen, dazu Gummistiefel, einen Helm und eine Helmlampe. Dass das nicht ohne ca. 15-minütige Wartezeit und auch dann recht gelassen langsam ablief, ist nach Punkt 1 sicherlich verständlich.
  • nächste Station: Miners Market. Da gibt es so ziemlich alles, was bei uns der liebe Gott verboten
    hat: von Dynamitstangen über Sprengbeschleuniger bis hin zu Cocablättern usw., allerdings auch harmlose Essenzen wie Limonade etc.

Der Coca-Genuss ist akzeptabel: alle Arbeiter am Berg, inner- wie außerhalb, haben immer eine Gesichtshälfte dick aufgebauscht, voll mit Cocablättern und entsprechenden Zusatzstoffen, um Kälte, Anstrengung und Entkräftigung standzuhalten. Es ist ein altes Heilmittel unter der eingeborenen Bevölkerung, nicht Suchtmittel.

Der Besucher ist aufgefordert, nach seiner Neigung einiges an Geschenken für die Mineros zu kaufen, wobei es für das Dynamit einer klare Regel gibt: es sind drei Stangen zu kaufen

  • eine für den Minero,
  • eine für den eigenen Gebrauch
  • und eine für die Schwiegermutter.

Letzte Station: die Mine selbst. Ich habe die Besichtigung nur zum Teil mitgemacht, in derartigen engen Röhren fühle ich mich nur bedingt wohl. Einigen anderen ging's gleich. Wie ein solcher Abbau vor sich geht, ob mit oder ohne Dynamit, habe ich in Coober Pedy in Australien im Detail gesehen. Nach Abschluss der Minenbesichtigung gab es noch eine Schnellausbildung zum Sprengmeister: die Dynamitstange für den eigenen Gebrauch wurde von den Käufern (zu denen ich nicht zählte, mangels Schwiegermutter), unter Anleitung der Guides, früher selbst Mineros, mit Zündkapsel, -schnur und Sprengbeschleuniger versehen und dann kollektiv zur Explosion gebracht. Die Jungs haben sich gefreut wie kleine Kinder (vielleicht, weil sie's glücklich hinter sich gebracht hatten!)

Noch etwas zum Berg selbst: vor einigen Jahren hat eine Gruppe von amerikanischen Mineningenieuren und Geologen den Berg untersucht und vorausgesagt, dass er innerhalb von ca. 11 Jahren wegen der Aushöhlung in sich zusammenbrechen werde. Es verbleiben noch ca. 4 Jahre.

Potosi nach Uyuni

Die Strecke habe ich schon oben beschrieben, sie ist selbst mit so einer famosen HPN-Enduro, wie ich sie fahre, nur schwierig zu bewältigen, weil es kaum einen harmonischen Streckenabschnitt gibt. Obwohl man gar nicht schnell fahren kann, ist es ermüdend und nervig. Die Landschaft, für die man nicht viele Blicke frei hat, wird immer mehr zur Wüste, Hochebenen, schmale Täler, zum Schluss, in einer sich öffnenden Hochebene, der Blick auf die Uyuni-Ebene mit dem Salar de Uyuni.

Uyuni ist ein kleines Wüstennest, das ohne den Salar de Uyuni wohl auf keiner Karte vermerkt wäre, es gibt nichts anmutendes. Ich komme in einem kleinen Hostal unter, mit Gemeinschafts-Sanitäreinrichtungen, aber sehr sauber, ich bleibe nur, bis mein weiterer Weg nach San Pedro de Atacama klar ist. Die Tourist-Information hat erst mal geschlossen.

Am Spätnachmittag sitze ich an der Plaza in einer internationalen Runde netter junger Leute, alle Rucksack-Touristen, wir unterhalten uns prächtig. Am nächsten Tag, Mittwoch, 18.10., schreibe ich meine üblichen Kartengrüße an meine Enkel und meine Schwester Ingeborg, bei der Touri-Info gibt's eine sog. Area-Map, ich kann meinen Traum, an der Laguna Colorada und der Laguna Verde vorbei, mit drei Tagesetappen direkt nach San Pedro de Atacama zu fahren, Wirklichkeit werden lassen. Ausgeprägte Hochstimmung kommt auf.

Auf die teure Rundreise auf/um den Salar de Uyuni verzichte ich (man möge mir verzeihen!). Sicherheitshalber besorge ich mir noch in Uyuni den Ausreisestempel aus Bolivien (die Grenzstation ist nicht immer zuverlässig besetzt!), am 21.10. muss ich Bolivien verlassen.

Von Uyuni nach San Pedro de Atacama

Was folgte, waren drei Reisetage, die mir einen kräftigen Dämpfer für meine Hochstimmung gebracht haben. Von Uyuni führt eine relativ gute, breite Schotterstraße Richtung Westen, nach Villa Alota, danach soll es irgendwann nach links, nach Süden abgehen. In Alota habe ich Pause gemacht und, mit etwas Verhandlungen, 15 Liter Sprit ergattert (die Area Map hat eine reguläre Tankstelle vorgetäuscht, es war aber die Versorgung aus dem Benzin-Kannister.

Die Area Map hatte noch eine weitere, böse Überraschung parat: sie stellt den Streckenverlauf so dar, dass es nur eine Hauptrichtung gibt: die zur Laguna Colorado. Dieser Hauptrichtung folgte ich. Nach ca. 80 - 90 km ein Schlagbaum. Nichts besonderes, kommt in diesen Ländern öfter vor. Also Reisepass vorzeigen, man behält meine Einreisebewilligung ein, ich darf weiter. Ein Minutenaufenthalt.

Ca. 1 km später: der nächste Schlagbaum, ich bin überrascht! Frage nach woher, wohin. Laguna Colorada? Kein Problem - Du fährst über Calama und San Pedro und kannst von dort zur Laguna Verde und weiter zur Laguna Colorado fahren. No! Ich will direkt zur Laguna Colorado! No! Calama, San Pedro. usw. Ich war, wo ich nicht hinwollte: an der chilenischen Grenze, längst vorbei an der Abzweigung zu den Lagunas.

Zurück zur den Bolivianos, gemeinsames Kartenstudium: die Straße, die Du hierher gefahren bist, ist weder auf der Area Map noch auf meiner großen Süd-Südamerika-Karte verzeichnet, weil neu. Aber: ningun problemo, ca. 5 km zurück (mas o meno! = mehr oder weniger) geht's rechts ab in die Berge, da kommst Du zur Laguna Colorado. Gut. Nach ca. 5 km (mas o meno) keine Abzweigung, aber nach ca. 8 km. Da steht auch ein nicht mehr entzifferbarer Wegweiser, der auf das schmale Sträßchen weist, das in die Berge führt. Nach 5 - 6 km, es wird immer verwegener, bin ich am Zweifeln, als mir in einer Linksbiegung die Maschine wegschwimmt, weil plötzlich loser Untergrund war. Den Schlenker konnte ich nicht mehr voll abfangen, ich rutschte in den Straßengraben.

Also: Gepäck abladen, Ausfahrt aus dem Graben freimachen, Maschine rausschieben (mit Motorkraft), umdrehen, abstellen, Gepäck aufladen, kehrt, marsch marsch. Nach ca. 2 km Fahrt bergab rechts ein Seitenweg, schön eben, weitab von aller Zivilisation. Wie schön, dass ich Verpflegung dabei habe. Also: in über 4000 m Höhe Zelt aufbauen, Picknick und - nachdem der Wind immer eisiger wurde - zeitig in das temperierte Zelt, unter den warmen Schlafsack. Nachts: ein wunderschöner Sternenhimmel! Am Morgen ist mein Wasser in der Flasche eingefroren. Egal: Zelt abbauen und die Fuhre wieder fahrfertig machen. Es war auf jedenfall einer der originellsten Campingplätze bisher!

Danach den Rest der Abfahrt ins Tal, zurück Richtung Villa Alota. Mehrere angehaltene Jeep- und LKW-Fahrer haben mir wortreich erklärt, dass ich noch x km zurück muss und dann die Abfahrt zur Laguna Colora kommt. Schon im Angesicht von Villa Alota, nach ca. 180, 190 km Umweg, war ich an der richtigen Abzweigung (keinerlei Hinweis an der Straße!), wie mir ein Bauernjunge und ein Jeepfahrer bestätigten!

Bisher ging's gut, sagte sich der abstürzende Maurer auf Höhe des ersten Stockwerks. Es war Freitag, nein, nicht der 13., sondern der 20.10.2006. Es folgten zwei harte Tage, eine nicht erbetene Enduro-Reifeprüfung, die ich beinahe nicht bestanden hätte. Ich merkte schon beim Start vom Höhencamping, dass ich nicht den besten Tag erwischt hatte. Es gibt so Tage, da läuft's so richtig gut, an anderen eben wieder nicht. Es wird nach der Abzweigung ziemlich schnell schwierig, am harmlosesten sind noch die Wasser-Durchfahrten. Immer unsicher: stimmt die Richtung? Die sogenannte Area-Map, die offizielle Karte von der Tourist-Information stimmt vorne und hinten nicht.

Mittagspause in einem trostlosen Nest: eine Cerveza gibt's nur im Krämerladen, auf einem Holzstuhl sitzend. Dann die Auskunft: der weitere, der richtige Weg geht nach ca. einem Kilometer, eher weniger, rechts ab. Die Strecke zur Laguna Colorada geht vorbei an der Laguna Capina. Diese Camina Touristica (Straße) gibt's auf der Area Map überhaupt nicht! Die Auskunft stimmt zwar, aber nicht die Abzweigung: ich bin plötzlich auf einem Bergpfad, für Esel wie geschaffen, aber mit dem schwer beladenen Moped nicht machbar. Zurück! Ein Bauernjunge hilft mir. Einige Kilometer später der richtige Abzweig.

Die Strecke wird zunehmend schwierig bis katastrophal. Erster Umfaller, als die Maschine in eine enge Spur abrutscht. Glück: gleich darauf kommt ein Jeep entgegen, ich habe Hilfe beim Aufrichten. Es geht immer mehr in die Art ausgewaschenes Bergsträßchen, höher und höher in die Berge. Nächster Umfaller, reine Unachtsamkeit, die Maschine landet neben der Straße am Hang. Gepäck runter, aufrichten, warten: keine Chance, das Motorrad alleine auf die Straße zurückzubringen. Die Hilfe kommt glücklicherweise schon bald, also raufschieben, Danke!, Gepäck aufladen, weiter - weiter bis zum nächsten Umfaller, diesmal tut mir der rechte Knöchel weh, ich hab die Schn.... voll, links neben der Straße ist ein etwas ebenes Stück der alten Strecke. Resignation, Zelt raus und dort aufgebaut, auf der Höhe von ca. 4.500 m.

Sobald die Sonne weg ist, wird es wieder bitterkalt, es bleibt nur der Rückzug ins Zelt. Den schmerzenden Knöchel behandle ich mit Thrombaredukt und Voltaren, zusätzlich, um schlafen zu können, eine ASS500. Ich kann danach gut schlafen, nachts passieren 2, 3 Fahrzeuge, einer hupt zum Gruss, bei der fälligen P.Pause kann ich wieder den Sternenhimmel bewundern.

Morgens, Wunder gibt es immer wieder, kann ich besser auftreten als am Abend, der rechte Stiefel wird enger geschnallt, die Fahrerei geht so besser, als erhofft. Natürlich fahre ich mit äußerster Vorsicht weiter, runter Richtung Laguna Capida, die Straße wird ein wenig besser. Trotzdem: halbwegs zur Laguna Colorada ein erneuter Umfaller, im tiefen Sand-/Kiesgemisch. Diesmal bin ich richtig sauer auf mich! Gepäck runter, Aufrichten, Gepäck wieder rauf - ich ärgere mich immer mehr über mich selbst: sowas bin ich doch nun wirklich schon genügend gefahren - wo liegt mein Fehler?

Und nun darf gelacht werden! Es waren zwar zwei rabenschwarze fahrerische Tag, aber ich rätsle bis heute, wie man oft Geübtes so total aus dem Gedächtnis verlieren kann! Es kam mir nämlich fast schlagartig die Erinnerung, dass man in den Fußrasten stehend eine sehr viel bessere Beherrschung der Maschine und ihrer eigenständigen Bewegungen erzielt. Als Motorrad-Sesselfurzer hat man in solchen Situationen halt nichts zu gewinnen. Die weitere Fahrt war dann problemlos. Wie gesagt: es darf gelacht werden!

Die ersehnte Laguna Colorada war, wie der Weg dorthin, eine Enttäuschung, ein Kontrollposten am Weg gibt mir den Rat: weiter zur Laguna Verde. Dort: auch nichts los, nichts mit Camping, nichts mit Lebensmittel-Einkauf, nur ein überteuertes Hostal mit Massenschlafsaal, und zur Grenze nach Chile sind es weniger als 5 km, bis San Pedro de Atacama nur mehr ca. 55 km. Als nichts wie weiter.

Die Grenzabfertigung zur Ausreise aus Bolivien ist reine Form-, sprich Minutensache. Kurz nach der Grenze kommt dann eine feine, breite Asphaltstraße, die in stetigem Ab über ca. 45 Kilometer nach San Pedro hinunterführt. Dort dann die chilenische Einreise-Prozedur, aber auch absolut unproblematisch.

San Pedro de Atacama (22./23.10.)

Ich habe mir ein bisschen Ruhe und Entspannung gegönnt und dabei noch einmal die vorigen Tage Revue passieren lassen. Objektiv war, wenn auch unter anderen Aspekten, die Route vergleichbar schwer der Passfahrt von Kabul nach Jallalabad. Der große Unterschied war der, dass ich am Tag nach der Umkehr von der chilenischen Grenze, nach dem Hochcamping, einen außergewöhnlich schlechten Tag erwischt hatte. Warum? Keine Ahnung! Ich hatte nicht gesoffen, ich hatte gut geschlafen, ich hatte keinerlei gesundheitliche Probleme - ich war einfach schlecht drauf.

Ich bin gefahren wie ein Sesselpupser, auch der zweite Tag war nicht viel besser als der vorige, gefahren wie ein Anfänger, bis zum Aha-Erlebnis. Wie kann man nur alles, was man mal geübt und auch auf dieser Reise schon eingesetzt hat, so total vergessen? Auf Sumatra bin ich ein vergleichbar schwieriges Sträßchen über 20, 25 km mit gerissenenem Kupplungsseil gefahren. Das Rätsel bleibt.

Ich hatte schon große Bedenken entwickelt ob der Strecken, die mir auf dem weiteren Weg nach Süden bevorstehen, nun bin ich wieder entspannt und optimistisch, selbstbewusst. Ich kann's doch, auch wenn's mit Gepäck schwieriger ist.

Die Nacht nach der Ankunft in San Pedro habe ich geschlafen wie ein Murmeltier. Um Abstand vom Motorrad zu haben und mich voll auf die Landschaft und ihre Besonderheiten zu konzentrieren, hab ich den Besuch der Salar de Atacama mit einer Jeeptour gemacht. Das war eine gute Entscheidung!

San Pedro d.A. ist eigentlich ein unscheinbares Nest, gewinnt seine Bedeutung nur aus der eigenartigen Landschaft des Salar de Atacama und, wieder daraus resultierend, aus dem Strom der Touristen, der
hier durchkommt und Station macht.

Salar de Atacama

Dieser Ausflug, Abfahrt um 16.00 Uhr (Rückkunft ca. 20.45) war eine Entschädigung für die Mühen der vorigen Tage! Es fehlt zwar die typische Salzsee-Szenerie, wie man sie vom Salar de Uyuni kennt, aber es ist eine beeindruckende Szenerie. Die Oberfläche des Salar ist zerklüftet, wie umgepflügt, ein
Produkt der ewiglangen Erosion. Das gesamte Becken mit seinen umliegenden Bergen ist Naturschutzgebiet, man darf mit dem Erhalt der einmaligen Landschaft rechnen.

Ein hochkompetenter einheimischer Guide mit viel Detailwissen hat eine bestens vorbereitete Führung gestaltet. Er hatte für die einzelnen Stationen Farbfolien vorbereitet, mit denen er auf den dazwischenliegenden Fahrstrecken alles mögliche Wissenswerte zu den Menschen der Gegend, Geschichte, Geologie, Fauna und Flora präsentieren konnte, immer wieder ergänzt um Details, die man sonst nur aus sehr spezieller Fachliteratur erfährt. Man erfährt z.B. von den bolivianischen Einwanderern, die zunächst in Höhlen gehaust und über Jahrhunderte hinweg eine recht hohe Kultur entwickelt haben.

Das Atacama-Gebiet war mal Teil des Ozeans, eine höhere Bergkuppe im Westen des heutigen Salar war eine Insel, man hat dort Walknochen etc. gefunden. Um die Stadt San Pedro vor dem weiteren Vormarsch der Wüste zu schützen, hat man vor längerer Zeit ca. 30, 35 km südlich einen mehrere hundert Meter breiten Baumgürtel in Ost-/Westrichtung gepflanzt, bestehend aus Tamaruga-Bäumen, die ca. 10 m hoch werden, aber, vergleichbar der Akazie, ihre Wurzeln 40 - 45 m in die Tiefe treiben, um Wasser zu finden. Gesetzt wurden zigtausende Setzlinge, von denen allerdings die meisten eingegangen sind. Trotzdem tut der Schutzwall seinen Dienst: bisher ist der Vormarsch der Atacama aufgehalten.

Seit Jahrzehnten wird Wasser immer knapper, der Regen immer seltener und unergiebiger. Ein Gebirgsbach (es gibt 12 Zuflüsse aus den Bergen ringsum in die Ebene), der einmal mindestens 1 m hoch war, ganzjährig, ist auf ein Bächlein von vielleicht 20, 30 cm Wassertiefe geschrumpft. Seit Jahrzehnten sind eine Menge von Pflanzen und Tieren ausgestorben, u.a. eine Kakteenart, die nur noch einmal weltweit, in Russland, vorkommt. Andererseits wird die Atacama, bedingt durch die weitverbreitete Wasserknappheit, immer mehr zum Rückzugsgebiet für viele Vögel, wodurch hier für den Ornithologen eine seltene Chance der Beobachtung gegeben ist.

Dies kann natürlich nur ein kleiner Ausschnitt dessen sein, was uns der Guide vermittelt und erzählt hat: er hat sich als engagierter Umweltschützer erwiesen, der sich nicht zu schade war, unterwegs kleine Plastikteilchen, auch hier unvermeidbar!, aufzuheben und einzustecken.

Was folgte war der Aufbruch aus San Pedro mit der Fahrt über den Paso Jama nach Argentinien - Stoff für den nächsten Bericht!

Fazit Bolivien:

Das Land war für mich äußerst beanspruchend, anstrengend, beeindruckend! Bei allen negativen Momenten – Arzt benötigt in La Paz, Probleme der Höhenanpassung, schlechte Infrastruktur (Ver-
kehrs-Ausschilderung usw.), teils katastrophalen Straßen, Staubfahnen der LKW, Busse, Jeeps – ich möchte diesen Abschnitt nicht missen, vor allem als ganz eigene persönliche Erfahrung! Die Laguna's waren eine Enttäuschung meiner Erwartungen!

Salar de Atacama: Nach der frustrierenden Ödnis der Desierto de Atacama an der Küste war ich hier in einem ganz anderen Wüstentyp unterwegs, der eine ganz eigene Faszination ausstrahlt.

Liebe Freunde, ich mache eine tolle Reise!!



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