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christina meierInterview mit Christina Meier zur "Dakar" 2010
 

Frau Meier, es sind nur noch wenige Tage bis zum "Dakar"-Start am 1. Januar 2010 in Buenos Aires und Sie haben sich vorgenommen, die 8937 Kilometer auf dem Motorrad zu bewältigen? Steigt Ihr Adrenalinspiegel schon?
Da es ja mittlerweile mein dritter Start bei der Dakar ist, bin ich schon etwas entspannter. Richtig aufregend war es 2008, als ich das erste Mal dabei war – das war dann auch gleich die erschütternste Erfahrung, die Rallye wurde kurz vor dem Start abgesagt. 2009 war es dann sehr spannend, Südamerika zu entdecken. Und jetzt freue ich mich einfach darauf, wieder starten zu können.

Was treibt eine Frau dazu, bei einer so risikoreichen Veranstaltung, wie es die "Dakar" nun mal ist, teilnehmen zu wollen, noch dazu auf dem Motorrad?
Ich nehme an, aus den gleichen Gründen, wie die Männer, vor allem aus Leidenschaft für den Sport.

Wie haben Sie sich auf die "Dakar" vorbereitet?
Zum Enduro-Training war ich in der Türkei, zum Rallyetraining zweimal in Marokko. Dort werde ich zukünftig auch als Tourguide tätig werden, Schwerpunkt: Girls Desert Camps. Außerdem bin ich zwei Rallyes gefahren. Ich gehe wieder mit der Yamaha vom letzten Jahr an den Start, die von Team Kaiser betreut wird.

Es ist ihr zweiter "Dakar"-Start in Südamerika, zum ersten Mal bei der "Dakar" dabei ist Ingo Zahn aus Bayern, noch dazu in Ihrem Team. Welche Tipps haben Sie für ihn?
Für Ingo gilt, genauso wie für mich, nichts zu riskieren. Denn im Gegensatz zu den Profis ist für uns nicht die Platzierung wichtig, sondern nur heil ins Ziel zu kommen. Da wir beide von Team Kaiser betreut werden haben wir während der Rallye viel Gelegenheit, uns abzustimmen.

Wie müssen wir uns den Ablauf eines Rallyetages von Ihnen vorstellen?
Der Rallyetag beginnt für mich bereits am Abend zuvor. Das Roadbook für den nächsten Tag muss vorbereitet werden. Dann versuche ich möglichst frühzeitig schlafen zu gehen, um so ausgeruht wie möglich zu sein. Die Motorräder starten immer als erste, das kann durchaus mal vor dem Sonnenaufgang sein. Für mich das Schwierigste: so früh schon reichlich zu Essen, denn während des Rennesn gibt es dafür kaum Gelegenheit. Man startet am Vorstart in die Verbindungsetappe zum Start in die Wertungsprüfung. Ab jetzt geht es auf Zeit und gleichzeitig muss mittels Roadbook der Weg gefunden werden. Checkpoints unterwegs stellen sicher, dass niemand abkürzt. Vom Ziel der Wertungsprüfung geht es dann weiter ins nächste Biwak, wo man beim Eintreffen das Roadbook für den nächsten Tag erhält. Dann gibt man einen kurzen Bericht an den Mechaniker, was tagsüber los war, was auffällig war, oder kaputt gegangen ist, damit er das Bike für den nächsten Morgen wieder fit machen kann. Während die Mechaniker die Bikes pflegen gehen die Fahrer ihrer persönlichen Körperpflege nach, Duschen und Essen. Ganz wichtig auch die Meldung nach Hause, gesund im Tagesziel angekommen zu sein, dann geht es auch schon wieder damit los, das Roadbook für den nächsten Tag vorzubereiten.

Es nehmen ja noch weitere deutsche Teilnehmer an der Rallye teil, wenn auch nicht auf zwei Rädern. Im Fast & Speed Buggy, Navigator Thomas M. Schünemann und Fahrer Matthias Kahle, im MAN Renn Truck Matthias Beringer, Hugo Kupper und Siegfried Schadl. Populärster deutscher Teilnehmer ist sicherlich Dirk von Zitzewitz, Copilot von Giniel de Villiers, beide haben die letztjährige "Dakar" im VW Race Touareg gewonnen.
Trifft man sich da Abends mal im Biwakzelt auf ein Glas Chilenischen Rotweins und spricht über die Erlebnisse des Tages?
Auf jeden Fall, wenn man die Strecke im normalen Zeitrahmen schafft. Im Catering-Bereich treffen sich Amateure wie Profis, zum gemeinsamen Essen, um das Roadbook für den nächsten Tag vorzubereiten oder einfach nur zum Plaudern.

Haben Sie eigentlich eine Ausbildung als KFZ-Mechanikerin, oder wie reparieren Sie im Falle einer Havarie Ihre Rallye Yamaha WR 450?
Meine Holländische Mitstreiterin Mirjam Pol sagt von sich selbst, sie hätte zwei linke Hände was das Reparieren des Bikes angeht. Ganz so empfinde ich es bei mir nicht, aber eine Zweirad-Mechaniker-Ausbildung habe ich leider nicht. Ich würde gern mehr können, vor allem, um mir nicht immer nur schlaue Sprüche anhören zu müssen. Da mein Rallyemotto lautet: "Nichts erleben!", was soviel bedeutet wie: nicht stürzen, nichts kaputt machen, nicht verletzen – gehe ich davon aus, dass mein von Thorsten Kaiser und seinem Team aufgebautes Rallyebike jede Etappe durchhält. Nach meiner Ankunft im Biwak werden die Mechaniker dann jeden Abend mein Motorrad wieder fit für den nächsten Tag machen, während ich mich ausruhe, esse, mein Roadbook vorbereite und so früh wie möglich schlafen gehe. Für den Fall von Problemen auf der Wertungsprüfung folgt der Racetruck von Hamburger Software, die ein Notfall-Paket für mich an Bord haben. Und dann versuche ich mein Glück, denn natürlich habe ich auch als Mechaniker-Amateurin Werkzeug dabei. Übrigens, mein Vater ist gelernter Werkzeugmacher und meine Schwester und ich hatten schon sehr früh unsere eigenen McGyver-Taschenmesser.

Gibt es eigentlich einen Frauen-Bonus auf der "Dakar"? Zum Beispiel wenn Sie stürzen, kommt dann ein Gentleman und hebt Ihr Motorrad auf?

Ja sicher, genauso wie früher, als ich noch mit der XT 500 unterwegs war, zum Anlassen aber immer gewartet habe, bis ein starker Mann vorbei kam, der sie für mich ankickte (lacht dabei). Nein, der oft vermutete Frauenbonus besteht wohl eher darin, sich – wie überall sonst auch, dem Knigge entsprechend höflich seinen Mitmenschen gegenüber zu verhalten. Wenn ich einem Gestürzten helfen kann, dann mache ich das. Und andersrum funktioniert das meist auch. Ansonsten haben die Frauen weder eine kürzere Strecke, noch weniger Benzin zu transportieren.

Haben Sie auch mal Zeit, um sich Land und Leute anzuschauen, mal stehen zu bleiben, ein Foto zu machen, oder heisst es bei Ihnen nur Gas auf und Tunnelblick?
Nur Gas werde ich auf keinen Fall geben, denn so schaffe ich es vermutlich nicht, mein Rallyemotto umzusetzen. Auf jeden Fall werde ich Fotos machen, aber eher auf den Verbindungsetappen, denn da ist einfach mehr Zeit dafür. Fast überall sind motorsportbegeisterte Menschen, die darauf brennen, diese Rallye hautnah zu erleben. Allein das später noch einmal auf den Fotos zu sehen bringt das Gänsehaut-Feeling zurück.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie nach Südamerika fliegen?
Ich freue mich sehr darauf, endlich nur noch auf dem Motorrad zu sitzen und diese Rallye zu fahren. Das erste Rennen habe ich dann hinter mir, ich habe es an den Start geschafft. Was dann kommt ist die Belohnung für die lange Zeit der Vorbereitung. Außerdem freue ich mich auf die tollen Begegnungen bei der Rallye – sowohl auf die anderen Fahrer, als auch auf die Zuschauer. Und last but not least natürlich darauf, in Buenos Aires Tango zu tanzen. Als ich das letzte Mal dort war konnte ich ja noch keinen einzigen Schritt. Über das Jahr habe ich begonnen Tango zu tanzen und das werde ich diesmal besonders genießen.

Und worauf freuen Sie sich, wenn Sie hoffentlich gesund und munter wieder im kalten Hamburg landen?

Dann freue ich mich darauf, meine Familie und meine Freunde zu sehen, um ihnen von meinen Erlebnissen zu erzählen.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der "Dakar" 2010. 

Das Interview führte M. Ausonio