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Deutschland - Rundfahrt 2012
Als Ersatz für die abgesagte Deutschlandtour der Radprofis ließen engagierte Hobbyfahrer unter dem Motto "Berge statt Doping" die Idee einer nationalen Rundfahrt wieder auferstehen. Timo Rokitta war für ADVENTURE-magazin.de dabei.
Vor dem Start

Als ich im Zug von Augsburg nach Füssen sitze, wird mir langsam mulmig. Andreas, der Tourguide für die schwarze Gruppe, erzählt mir voller Stolz, dass er im Frühjahr den Mallorca 312 Radmarathon gewonnen hat und vor zwei Wochen beim Marathon in Bimbach mit einem 36er Schnitt gefahren ist. Er meinte noch lapidar dazu, dass der Ex-Profi Ludewig und der gesperrte Radprofi Sinkewitz mit ihm mithalten konnten. Langsam kommen mit starke Zweifel an der Sache. Spontan melde ich mich vor der obligatorischen Pastaparty um in die grüne Gruppe, die es angeblich etwas langsamer angehen lässt.

timo
180 Radler fluten pünktlich um 8:30 Uhr die Lechbrücke. Im großen 180er-Pulk genießen wir auf den ersten 5 Kilometern die wunderschöne Allgäulandschaft,  endlich geht es los! Eine gemächlich gen Weide ziehende Kuhherde bremst uns erst einmal ein und zollt weder uns noch dem Führungsfahrzeug der Polizei Respekt. Kurz darauf wurden die Gruppen getrennt. Auf schmalen Wirtschaftswegen geht es nach Bernbeuren, mit 1 km aufgeschütteter Rollsplittpassage.

Der erste steile Aufstieg geht hoch zum Auerberg. In sanft bis kontinuierlicher Steigung schlängelt sich das Sträßchen zur Kirche. Als die Freigabe zum individuellen Tempo erfolgt, werde ich bis ans Ende der Gruppe durchgereicht – habe ich die Sache etwa unterschätzt?
Die Hitze tut das übrige dazu, ich schwitze bei über 35 Grad wie in der Sauna und komme völlig fertig oben an. Oben schütte ich zwei Liter Cola in mich rein, damit der Zucker wieder meine Lebensgeister belebt.

Von nun ab bewege ich mich im hintern Drittel der Gruppe und versuche so Kräfte zu sparen. Der Anstieg hoch zum Kesselberg verlangt dann wieder einiges an Reserven. Ich bin wieder am Ende der Gruppe und sehne das Ende herbei. Als wir in der Jugendherberge in Bad Tölz ankommen gibt es schon die ersten Aufgaben von Teilnehmern.
Sonne und Schwüle dann auch am Start der zweiten Etappe. Nachdem wir die Touristenzentren rund um den Tegernsee hinter uns gebracht haben fängt auf der Straße nach Valepp der Genussteil der Strecke an. Über die schmale, schattige Straße erreichen wir schnell die erste Verpflegungsstelle am Spitzingsee. Bei mittlerweile glühender Hitze geht es hinauf auf das Sudelfeld. Die beachtliche Steigung ist mit viel Schweißverlust schnell bezwungen. Und schon wieder geht es in rasender Fahrt über die Tatzelwurmstraße hinab. In Oberaudorf verwöhnt uns der Nahkauf mit sonntäglichen Leckereien.
Danach passiert es: Ein Auto biegt am Ortsende auf die Straße ein und die Gruppe bremst. Mein Hintermann reagiert zu spät, überbremst und knallt in mein Hinterrad. Ca. 5 Meter versuche ich das Rad mit blockiertem Hinterrad abzufangen, was mir mit viel Glück gelingt. Als ich mir mein Rad betrachte bemerke ich, dass die linke Sattelstrebe gespilttert ist. Mein Hinterrad ist krumm und schief und eine Speiche sieht aus wie eine Spirelli-Nudel. Ist die Deutschland-Rundfahrt für mich schon zu Ende?
Notreparatur
Mit dem demolierten Rad fahre ich zurück zum Supermarkt. Mit Hilfe eines Nachbarn kann Sergej der Mechaniker die Stelle notdürftig flicken, in dem er ein Stück Alurohr über der lädierten Stelle mit zwei Schellen fixiert - das Hinterrad zentriert er aus. Ich fahre nun mit der gelben Gruppe die Etappe zu Ende, die uns bis nach Salzburg führt. 
Eine kleine Irrfahrt ist sie schon, die Suche nach dem Start in der Mozartstadt. Doch pünktlich geht es bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein los zur Etappe durch das Salzburger Seengebiet. Ständige Richtungswechsel und kleine, aber gemeine Steigungen, bei meist Gegenwind, sind nicht minder anstrengend. Das Tempo in der gelben Gruppe ist aber etwas langsamer und das Fahren ist dementsprechend entspannter.  Der von Häuserzeilen gesäumte oberösterreichische Marktplatz von Haag am Hausruck quetscht uns nach oben und das Mittagessen nach unten.
irgendwo
Um dem Motto der Deutschland-Rundfahrt gerecht zu werden, fahren wir von Enzenkirchen in den Sauwald. Dieser Höhenrücken erhebt sich zwar direkt südlich der Donau, doch vorerst bekommen wir diese nicht zu Gesicht. Über Stadl führt unsere Route hinüber nach Vichtenstein. In flotter Fahrt durch einige Kehren erreichen wir schließlich die Donau. Ins Etappenziel sind es nun noch rund 20 km, auf denen wir im engen Tal bleiben und schließlich die Dreiflüssestadt Passau erreichen.
Wolkenverhangener Himmel über Passau am nächsten Morgen. Eine steile Rampe zu Beginn wärmt meine Muskeln auf. Ein typischer Einstieg für die Königsetappe mit über 3.000 Höhenmetern. Dann ein Sturz - Charly ist auf einem Kieselstein ausgerutscht und hat sich das Knie lädiert. Sein Schaltwerk hat ebenfalls gelitten. Er steigt zur Sicherheit mal in den Besenwagen.

Von der Anhöhe geht es auf engen Sträßchen schließlich hinunter ins Ilztal, um dieses in einem weiteren Anstieg zu verlassen. In traumhafter Landschaft mit schönen Ausblicken wiederholt sich dieses Spiel noch mehrere Male. Ab Grafenau tauchen wir dann schnell in den hinteren Bayerischen Wald ein und fahren über so namhafte Orte wie Spiegelau, Zwiesel und Bodenmais zum Fuß des großen Arber. Kurz vor Bodenmais setzt ein heftiger Regenschauer ein – ein willkommen Abkühlung für die nun folgende Bergfahrt. Der Höhepunkt dieser Etappe muss über 400 Höhenmeter erklettert werden. Am Arber heißt es nun wieder freies Fahren. Ich komme als dritter oder vierter der gelben Gruppe oben an und ziehe mir warme Sachen an.
Über die Höhenstraße und einer langen und schnellen Abfahrt fahren wir hinunter in den Lamer Winkel, wo mit der Höllhöhe ein weiterer längerer Anstieg bezwungen werden muss. Danach rollt es recht wellig schön bis Furth im Wald, wo eine schwere, dafür landschaftlich schöne Etappe zu Ende geht.

Nach der Besichtigung des imposanten Further Drachens muss ein richtiger Anstieg mit über 400 Hm bezwungen werden. Ab Waldmünchen führt die Route dann fast parallel zur tschechischen Grenze über viele Wellen durch die waldreiche Oberpfalz. In Flossenbürg beginnt der Anstieg hinauf zum höchsten Punkt dieser Etappe. Mein Rad läuft immer schwerer - kann es sein, dass meine Nabe bei dem Crash etwas abbekommen hat oder bin ich total plattgefahren? Das zweite Mal an diesem Tag werden an der Silberhütte die 800 m überfahren. Nach Passieren des Liebensteinspeichers geht es meist flach und mit nur noch einem wesentlichen Anstieg zum Etappenziel ins liebliche Bad Alexandersbad.
Ein Gewitter weckt mich um 6 Uhr in der Früh. Mein Zimmernachbar Lothar hat wieder ganze Wälder ungesägt, so dass ich samt Matratze auf den Balkon flüchtete. So gut geschlafen habe ich auf der ganzen Tour nicht mehr. Der Regen hat die Luft heute besonders klar gemacht und nur vereinzelte Nebenschwaden stören die Idylle.

Beim ersten Anstieg haben ich dann wieder Probleme. Als die Gruppe auf mein Zeichen hin anhält bemerke ich, dass das Rad sich nur schwer drehen lässt. Tourguide Klaus holt sofort ein Ersatzrad aus dem Besenwagen, der zum Glück noch hinter uns fährt und siehe da, mein Rad läuft nun wieder wie geschmiert. Nach der Mittagspause zieht sich der Himmel immer mehr zu und auch schon bald öffnet er seine Schleusen. Die letzten zwei Stunden fahren wir im strömenden Regen. Dazu bekomme ich auch noch eine Fliege ins Auge, die mich dazu veranlasst, im Blindflug und immer im Spritzwasser meines Vordermanns zu fahren. Erst ein zweimaliger Eingriff der Medical Car Besatzung befreit mich von dem Vieh. Das malerische Coburg empfängt uns dann wieder mit trockenen Strassen und tollen historischen Gebäuden.



Auch auf der siebten Etappe liegen Start und Ziel in Bayern, ein Großteil der Strecke jedoch in Thüringen. Nach dem Kaltstart geht es hoch zur Veste Coburg mit 14 % führt uns eine knapp 40 km lange wellige Passage nach Gifting. Hier lauert der Steilanstieg hoch nach Posseck mit bis zu 17 %, dem Scharfrichter des Frankenwald-Radmarathons.     
Nach diesem Stich folgt eine kurvenreiche Abfahrt hinunter ins Haßlachtal. Von dort  ein wunderschöner Abschnitt durch ein Waldstück bis Buchenbach. Spätestens in Steinbach am Wald sind wir mittendrin im Frankenwald. Auf den Höhen geht es sehr wellig und mit einigen weiteren Anstiegen nach Thüringen und schnurstracks zur Bleiloch-Talsperre. Nachdem diese uns für längere Zeit begleitet, erreichen wir nach einigen Kilometern Bad Lobenstein, das mittels eines schönen und anstrengenden Anstiegs verlassen wird. Nach einer Abfahrt hinunter nach Blankenstein ins Tal der Sächsischen Saale, wird das Tal hinauf nach Eisenbühl für kurze Zeit wieder verlassen. Doch auf den letzten Kilometern begleitet uns die Saale bis Hof, wo diese Etappe durch den einsamen Frankenwald zu Ende geht.
Bei der vorletzten Etappe setzt der Regen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze ein. Ein lauter Knall beendet jedoch unsere Fahrt, nachdem einer von unzähligen Plattfüssen unseren Sturm in das Fichtelgebirge. Heftiger Regen und eisige Temperaturen lassen dann den Wunsch nach ein Verkürzung der Etappe aufkommen. 90 % der Gruppe sind dafür und so geht es über Tschechien nach Oberwiesenthal. Doch für uns Abkürzer hält diese Etappe auch 123 km und 2.000 Hm parat. Die tschechischen Schlaglöcher erschweren die Fahrt jedoch erheblich. Erst kurz vor Etappenende komme die Sonne zum Vorschein und so genießen wir beim Abendessen das herrliche Panorama vom Hotel aus.

Nach dem Start in Oberwiesenthal auf 970 m Höhe geht es fast 20 km nur bergab. Bis Olbernhau gibt es nur kurze Anstiege in wunderschöner Erzgebirgslandschaft wegzudrücken. Nach einem ersten Imbiss, rollen wir sanft bergan nach Deutschneudorf und weiter auf die Göhrener Höhe, von der wir die schnelle und teilweise gefährliche Abfahrt ins Böhmische Becken genießen. Unten halten wir uns nicht lange auf, sondern fahren nach einer kurzen Flachpassage durch einen hässlichen Ort mit noch hässlicheren Häusern direkt zur Langewiese hinauf. Ein letzter schwerer Anstieg mit 500 Höhenmetern, und die einzige wirkliche Prüfung des Tages für die schon geschundene Beine. Oben genießen wir leckeren tschechischen Kuchen und genießen die Aussicht, bevor 20 leicht wellige Kilometer nach Zinnwald die 70 km lange Abfahrt durchs Müglitztal nach Dresden einleiten.
eskortiert
Die Polizei empfängt uns freundlicherweise kurz vor Dresden und eskoriert uns mit vier Motorrädern und zwei Streifenwagen zum Altmarkt. „I want to ride my bicycle“ von Queen ertönt aus den Lautsprecherboxen. Es ist geschafft - 1.440 km mit 21.000 Höhenmetern in 9 Tagen. Das Motto „Berge statt Doping“ traf auf diese Deutschland-Rundfahrt voll zu. 2013 wird es dann weitergehen, denn die Deutschland-Rundfahrt führt dann von Erlangen nach Straßburg – also quäl dich wieder.
 

Text und Fotos von: Timo Rokitta und Jan Sahner    

 
 



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