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Die polnischen
Beskiden
 
 
Dort, wo die Wiesen sich wie saftig grüne Matten an die Hänge schmiegen, wo die Berge einer zerklüfteten Hügellandschaft gleichen und die Wälder tief und mystisch-unheimlich werden, da sind die Beskiden in Oberschlesiens Süden in der Nähe der Grenzen zu Tschechien und der Slowakei.

Ganz anders begegnet mir hier die Umgebung, das Leben und die Natur als noch in der nur gut eineinhalb Autostunden entfernten Großstadt Katowice, die durch Industrie und Bergbau vergleichbar mit dem Ruhrgebiet vergangener Zeiten glänzt.

Die Beskiden sind gekennzeichnet durch kleine Orte in den Bergen, einzig die Stadt Wisla ist eine größere Stadt am Fuße des Berges Barania Góra und benannt nach dem Fluss Weichsel, der etwa zehn Kilometer südöstlich der Stadt seinen Anfang nimmt. Umgeben von bewaldeten Hügeln und Berggipfeln mit einer atemberaubenden Panorama-Aussicht, wird Wisla nicht umsonst die "Perle der Beskiden genannt". Hier beginne ich meine Reise durch das eindrucksvolle und erlebnisreiche Gebirge mit seinen kleinen Ortschaften und großen Naturschönheiten.
 
   
   
Malerisch muten die charakteristischen, vielgiebigen Holzhäuser mit oft reich verziertem Balkenschnitzwerk den links und rechts der steilen Bergstraße an, die ich hinaufkomme aus der Richtung Katowice. Die Holzbau-Architektur ist hier in der Gegend ebenso populär wie in der benachbarten Hohen Tatra. Auch zahlreiche Holzkirchen, einzigartig in ihrer Art in Europa, kennzeichnen die Gegend der Beskiden hier.

Wisla – die Perle der Beskiden in Südpolen bildet das Zentrum dieses Gebirges mit seinen heute rund 11000 Einwohnern. Eine wechselvolle Geschichte unter mehreren liegt hinter dem Städtchen, das – anders als sonst in Polen – evangelisch geprägt ist, da es ursprünglich von evangelischen Glaubensflüchtlingen im 17. Jahrhundert gegründet wurde, die als Hirten und Schafzüchter auf den Almen der umliegenden Gegend lebten. Die Walachy, ein Hirtenvolk, war es, die Wisla einst gründeten.
 
   
   
Wis?a gehört zu den Beskida 5, das ist ein Zusammenschluss aus den fünf Gemeinden Wisla, Brenna, Istebna, Szczyrk und Ustrón. In der Beskida 5 werden traditionelle Trachten, Lieder, Bräuche und Handwerk besonders gepflegt und gezeigt.

Heute ist Wisla ein beliebter Touristenmagnet und Ausgangspunkt für lange Wanderungen in die Berge. Im Winter ist Wisla zudem ein bedeutendes Skigebiet, aus dem der bekannte Ski-Springer Adam Malysz kommt. Die K-120-Sprungschanze in Wisla-Malinka, die nach ihm benannt ist, zählt zu den modernsten dieser Art in Polen. Hier finden Sprungweltmeisterschaften auf Weltniveau statt.

Doch nun ist Sommer und Wanderungen sind die Aktivitäten, mit denen Besucher sich gerne in der Gegend beschäftigen. Je nach Schwierigkeitsgrad lassen sich hier Routen von 2- 4 Stunden Dauer zwischen 2 und 12 Kilometern Distanz zurücklegen. Es gibt Routen in jeder Schwierigkeitsstufe für Spaziergänger bis zum geübten Wanderer. Gerne werden auch für Freunde des Reitens von Wisla aus Gebirgs-Reittouren veranstaltet, Britschkaa- und Pferdekutschen-Fahrten erfreuen sich hoher Beliebtheit beim älteren Publikum, wie ich feststellen kann.
 
   
   
Kein Wunder, dass in einem so traditionellen Ort auch der polnische Präsident eine Residenz in Form eines Schlösschens hat, die 1929-30 nach einem Entwurf des Architekten Prof. A. Szyszka-Bohusz erbaut wurde. Der erste hier residierende Präsident war Ignacy Mo?cicki.  
   
   

Der Ort Wis?a bietet mir zahlreiche Eindrücke der Beskiden-Kultur und Tradition, angefangen mit der markanten Folklore und den Trachten, die denen der Hohen Tatra ähneln. Es ist das Volk der Goralen, das hier lebt und seine Tradition pflegt. Auch die Sprache, goralisch, ist anders als im übrigen Polen und bildet einen polnisch-slowakischen Übergangs-Dialekt. Mich begeistert vor allem die auffällige Tracht. Bei den Männern besteht sie aus Hose und Umhang aus schwerem, weißen Filz, einem schweren und breiten Ledergürtel, einer schwarzen Weste und dem traditionellen schwarzen Goralen-Hut, der je nach Region ein rot-weißes oder rotes Band trägt. Dazu gehört ein kleines Ciupaga, das ist Bergstock mit dem Handgriff in Form einer kleinen Axt, In der Gegend um den Ort Koniaków ist dieser Hut sogar weiß. Die Frauen tragen meist einen grün- oder rotgeblümten, langen Rock und eine weiße Bluse und eine rote oder schwarze Weste. Nicht selten gehört eine Haube oder ein Blumenkranz zur vollständigen Tracht der Frauen. Gespannt verfolge ich die Tänze der Gruppen, die dieser Tage in Wis?a und anderen Orten der Beskiden auftreten, denn Ende Juli findet traditionell das Tanz- und Brauchtumsfest statt, das als "Woche der Kultur" gefeiert wird. Begleitet werden die Tänzer meistens von traditionellen Instrumenten, wie der Fidel, Okarina, Pfeifen und Hirtenhörnern. Alles ist ausgerichtet auf die Ursprünge der Hirten- und Bergbauern-Tradition, die noch heute nicht nur für Touristen gepflegt, sondern in den Bergen auch zahlreich praktiziert wird.

 
 
 
 

Die Goralen-Küche ist deftig und der Region der Berge angepasst. Allen voran steht der Hartkäse Oscypek aus Schafs- oder Ziegenkäse, der nur in dieser Region vorkommt und als regionale Spezialität auch nicht außerhalb Polens erhältlich ist. Sehenswert ist die Herstellung dieses Käses, daher begebe ich mich in eine der zahlreich zu findenden "Bacówkas", das sind kleine Holzhütten auf den Almen oder in den Dörfern und sehe zu, wie aus der Käse-Rohmilchmasse der Oscypek in kegelartige Formen gepresst, über dem Feuer geräuchert und zum Trocknen in der Hütte aufgehängt wird. Dieser in seiner natürlichen, braunen Rinde belassene Käse hat einen salzigen Geschmack und einen Fettgehalt von 40-60%. Der ursprünglich aus der hohen Tatra rund um Zakopane stammende Käse wird auch in den Beskiden und in der angrenzenden Slowakei hergestellt und darf sich nur in dieser Region auch so nennen.

Gerne wird der Oscypek genossen mit Waldbeeren-Marmelade als Vorspeise zu einem Essen. Natürlich stehen die klassisch-polnischen Pierogie, Maultaschen gefüllt mit Käse, Fleich oder Sauerkraut, auf jeder Speisekarte ebenso wie die Klusecki, kleine Kartoffelklöße, die mit gebratenen Zwiebeln serviert werden. Traditionelle Lammgerichte sind hier in jedem Restaurant zu finden, denn Schafe werden hier zahlreich in jeder Form verarbeitet.
 
   
   
Typisch ist auch das Gericht Gulasch im Brotteig, dass gut gewürzt auf den Tisch kommt. Ein ausgehöhlter Brotteig dient dabei als essbare Schüssel des deftigen Gulaschgerichts. Zum Essen genießt man meistens das frische Pilsner aus der Region Zywiec und nach dem Essen einen Beskiden-Wodka, der sich durch verschiedene Aromen wie Brombeere, Waldbeere oder andere Früchte auszeichnet.  
 
 
So setze ich meine Reise durch die Beskiden fort in Richtung Istebna, einem Das Dorf am Fuße des Berges Z?oty Gro? im Quellgebiet der Olsa. Hier, wie auch im benachbarten Koniakow bewundere ich vor allem die traditionelle Spitzen-Klöppelkunst, die sich in Decken, Figuren und anderen Dekorations-Artikeln wiederfindet. So staune ich, dass ich hier die größte zusammenhängende Spitzendecke der Welt entdecken kann, mit einem Durchmesser von 8 Metern. Injüngster Tradition werden hier nicht nur Spitzendecken geklöppelt. Um jüngere Kunden zu finden, setzen die Frauen der Region, die traditionell die Spitzen-Klöppelkunst beherrschen, auf die Produktion von geklöppelten Spitzen-Unterhosen, die sich größter Beliebtheit erfreuen, da sie in ihrer Art einzigartig sind.  
   
   
Sehenswert ist in Istebna-Kubalonka auch die 1779 errichtete Holzkirche, die die traditionelle Holzbauweise der Region wiedergibt. Immer höher hinauf geht es in verschlungenen, engen Straßen, gesäumt von dichten, dunklen Nadelwäldern. Öffnet sich eine Lücke in Richtung Tal, so lässt sich ein einzigartiger Blick in die tiefen Täler und über die grünen Weiten der sanften Beskiden-Berge genießen, der seinesgleichen sucht. Und so erreiche ich nach längerem auf und ab durch die malerische Beskiden-Landschaft den Ort Brenna. Hier begeistert mich vor allem die Chlebowa Chata, ein traditionelles Brotmuseum, in dem ich selbst auch die Kunst des Brotbackens nach den Rezepten der Region lernen kann. Ein Museum zum Mitmachen.  
   
   
Bevor ich mich zu meiner letzten Station in die Stadt Zywiec aufmache, um dort das traditionelle Bier der Region in seiner Braukunst kennenzulernen, besuche ich noch den Ort Szczyrk. Bereits in der Anfahrt des Ortes schlägt mir eine wesentliche Tradition entgegen, Mitten im Wald erheben sich plötzlich überdimensionale Gestalten aus Holz geschnitzt. Die markante Schnitzkunst der Beskiden, die sich auch in der benachbarten Hohen Tatra wiederfindet, ist in diesem Ort besonders sichtbar. Da werden Fabelwesen wie der bekannte Räuber Juraj Jánošík – die polnische Version des Robin Hood – oder auch Christusfiguren in der markant-überzeichneten Form dargestellt mit übergroßen Händen und verzerrten Gesichtern. In Szczyrk finden sich zahlreiche Figuren dieser Art, viele traditionelle Häuser schmücken sich mit diesen überdimensionalen Holzschnitz-Kunstwerken.  
   
   
Als besondere Sehenswürdigkeit und Pilgerort besuche ich das Marienheiligtum "Na Górce" ("auf dem Hügel") in 670 Metern Höhe, auf dem die Wallfahrtskirche und eine Höhle mit einer Marienstatue zu finden ist neben einer Quelle, an der im Jahr 1894 einem kleinen Mädchen mehrfach die Jungfrau Maria erschien.  
   
   
ich erreiche Zywiec, die Stadt an der Mündung der Koszarawa an die So?a etwa 18 Kilometer südöstlich von Bielsko-Bia?a. Hier spürt man die habsburger Einflüsse allerorts, das Schloss mit seinem großzügigen Garten, der zum Spazieren einlädt, die Altstadt mit ihren traditionellen Häusern und dem Marktplatz im Mittelpunkt des Ortes, die Kornkathedrale, all das nehme ich bei einem Spaziergang durch die Stadt auf.  
   
   
Die eigentliche Attraktion liegt in der heutigen Zeit aber in der 158 Jahre alten Brauerei Zywiec, die sich etwas außerhalb des Ortes findet. Heute zum Heiniken-Konzern gehörend wird hier noch traditionelles Bier der Beskiden gebraut. Und das kann man sich in einem liebevoll gestalteten Museum seit dem Jahr 2006 auch eindrucksvoll ansehen. Von den Anfängen der Braukunst in dieser Region bis zum heutigen Tag. Eine Zeitreise und Labyrinth der Historie führen den Besucher durch das Brauerei-Museum und waten mit einigen Überraschungen auf.  
   
   
Gegründet wurde die Zywiec-Brauerei 1856 von Prinz Albrecht Frederik Habsburg, einem Nachkommen von Maria Theresia. Ich erfahre zu meinem Erstaunen, dass die letzte, verbliebene Angehörige der Gründerfamilie aus dem Hause der Habsburger, Maria Krystyna Habsburg, tatsächlich noch bis zu ihrem Tod im Jahr 1012 auf dem Gelände der Brauerei lebte.  
 
 
Und wer nicht genug hat, kann auch noch einen Besuch der aktiven Brauerei auf der anderen Straßenseite absolvieren. Aber was ist das? Hatte ich erwartet, hier schwer arbeitende Männer an großen Braukesseln zu sehen, so werde ich enttäuscht. Fünf Arbeiter sitzen bequem in einem Kontrollraum und beobachten auf Bildschirmen den Brauprozess, der sich außerhalb ihres Glasraums in sechs großen, sterilen Braukesseln vollautomatisch abspielt. Das ist alles? Frage ich den mich begleitenden Ingenieur? Bierbrauen ist heute keine Hexerei mehr, sondern eine gut kalkulierte und technisch durchorganisierte Angelegenheit. Spannender ist da schon die Abfüllanlage nebenan, wo die Flaschen auf dem Fließband an mir vorbei sausen und einen ohrenbetäubenden Lärm machen in ihrem Prozess bis zum Verschluss und zum Abtransport bin Fässern oder Kisten mit einem der zahlreichen Trucks, die schon im Hof warten, um die 390.000 Hektoliter Bier in alle Welt zu tragen.

Bei soviel Bierbrauerei bleibt wohl nur eine trockene Kehle, die schnellstmöglich im Brauerei eigenen Biergarten gespült werden muss. 100.000 Besucher aus aller Welt begeben sich jedes Jahr hierher, um die traditionelle Braukunst der Beskiden zu erleben, vor allem zwischen Mai und Oktober.
 
   
   
Abwechslungsreich und vielfältig ist die Landschaft und das Leben der Beskiden und um so mehr lohnt sich gerade diese Region für einen Urlaub in den Bergen. Wandern, entspannen, erholen, die gute Luft genießen, die frische Natur erleben und die Tradition der Goralen in den Beskiden aufnehmen – all das bietet dieses Gebirge im Süden Polens. Gut zu erreichen von Deutschland aus, ist es nicht nur für mich ein interessantes Urlaubsziel, das einem ganz neue Perspektiven aus einem Land in direkter Nachbarschaft zu Deutschland eröffnet. Sommers wie winters lässt sich hier viel erleben. Grund genug für mich, hier bald wieder zu kommen und noch mehr Beskiden zu genießen.  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Text und Fotos: Philip Duckwitz  

 

 
   
   
 
   
   
   


 

   
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  Wie kommt man hin?  
 

Von Deutschland aus kann man entweder über Wroclaw (Breslau) mit dem Bus oder Auto über Katowice in die Beskiden gelangen. Oder man nimmt das Flugzeug. Flüge bis Katowice gehen von zahlreichen Orten in Deutschland aus. Hier empfiehlt es sich, am Flughafen ein Auto zu mieten, da zahlreiche Orte in den Beskiden nur auf diese Art erreichbar sind.

Währung und Geld
In Polen gilt der polnische Z?oty, die Umrechnung (Währungsrechner) ist in etwa 1:4

Unterkunft
In Wis?a sind die Unterkünfte vergleichsweise hochpreisig, es empfiehlt sich ein Aufenthalt in dem etwas kleineren, aber nichtsdestoweniger interessanten Ort Szczyrk. Hier gibt es zahlreiche Hotels und Gästehäuser traditioneller und moderner Art. Ein Tipp ist das Gästehaus Karolinka, dass Tradition und Moderne hervorragend verbindet.

Aktivitäten
Über Wanderungen und sportliche Aktivitäten informieren die lokalen Tourist-Infocenter, deren Mitarbeiter durchweg alle gut englisch sprechen. Wer eine Bootsfahrt in den Bergen unternehmen möchte, kann auf dem Zywiecer See "Jezioro ?ywieckie" eine 45-minütige Tour unternehmen und sich im Anblick der Berge und Landschaften entspannen

Brauerei Zywiec
Die Brauerei in Zywiec lädt ganzährig zu einem Besuch in Museum und Produktion, die Führungen sind in zahlreichen Sprachen, darunter deutsch und englisch.

Tourismus-Ämter der einzelnen Orte:
Wis?a, Istebna, Brenna, Szczyrk, Koniakow.

Allgemeine Auskünfte für Reisen in die Beskiden erteilt das polnische Fremdenverkehrsamt in Berlin.

Diese Reise wurde in Eigeninitiative von Philip Duckwitz durchgeführt

     
     
     
     
     
 

   
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