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Afghansitan                                        <<       >>

   
   

Liebe Freunde worldwide,

zunächst muss ich eine Warnung an Euch aussprechen, damit niemand behaupten kann, er hätte nicht Bescheid gewußt: ich muß Euch davor warnen, daß ich, so es sich fügen sollte, um ein Bedeutendes höher, größer, breiter und wichtiger wieder zuhause ankommen werde!

Nach allem, was mir auf dieser Reise alles an Ehrerbietung, Bewunderung, Lob usw. zuteil wird, ist in mir die Erkenntnis gereift, daß ich wohl zu den ganz Großen der Geschichte gehöre, momentan stufe ich mich ein in die Gesellschaft von Kant und Einstein, die ja auch beide Neuland betreten haben. Ich denke mal, den Kolumbus kann man da schlicht vergessen: mit ein paar Booten über die Wellen schaukeln, was soll das schon sein?! Und ansonsten fällt mir schlicht niemand ein, mit dem ich bereit wäre, meine Selbstbewunderung zu teilen - höchstens noch Alexander, aber das entscheide ich erst, wenn ich in Indien bin. Soviel zu diesem Thema, jetzt zu den Realitäten dieser Welt. Dieser Abschnitt der Reise hat, mit Ausnahme der Fahrt von Mashhad zur iranisch-afghanischen Grenze, nur mit Afghanistan zu tun - und ich werde mehrere Anläufe brauchen, bis ich meine Eindrücke und Erlebnisse soweit formuliert habe, daß ich sie an Euch weitergeben kann.

Der Grenzübertritt war problemfrei, abgesehen davon, daß es Freitag war und deshalb der iranische Zoll geschlossen. Aber: der Orient ist nicht umsonst bekannt für seine Gastfreundschaft! Nach etwa 45 Minuten Wartezeit kam einer der Zolloberen mit seinen beiden Kindern aus dem wohlverdienten Feiertag und gab mir den unverzichtbaren Stempel in mein Carnet, sodaß ich nicht bis zum nächsten Tag mit der Ausreise warten mußte (stellt Euch das bitte für einen deutschen Würdenträger vor....!!).

Afghanistan ist ein Land mit einer langen Geschichte. Teile der Seidenstraße haben durch dieses Land geführt, blühende Städte mit hoher Kultur und hohem Ansehen weit über die Region hinaus prägten das Bild - bis Dschinghis Khan kam und das Land mit den fantastischen Bewässerungssystemen, seinen Städten und Dörfern dem Erdboden gleichmachte. Davon hat sich diese Region nie mehr erholt, sie zerfiel in einzelne Stammesgebiete, erst im 19. Jahrhundert begann eine allmähliche Entwicklung, aus der letztendlich das Königreich Afghanistan entstand (übrigens stark unterstützt vom Deutschen Reich, was erheblich zur Beliebtheit der Deutschen hier beigetragen hat). Vielleicht auch eine Folge des Anrennens der Briten, die dieses asiatische Kernland zu gerne in ihr Kolonialreich einverleiben wollten. Ich könnte mir denken, daß die gemeinsame Abwehr dieses Feindes allmählich ein Zusammengehörigkeits-Bewußstein entstehen ließ.

Nach wie vor ist es ein wildes Land, mit kernigen, sturen und harten Menschen. Zu 97% besteht es aus Wüsten und Hochgebirge, das bedeutet, daß nur 3% landwirtschaftlich genutzt sind. Es ist bis heute nicht gelungen, das Geheimnis der Vor-Dschinghis- Bewässerungssysteme zu lüften, mit denen weit mehr des Landes genutzt werden konnten. Die Bevölkerung hat sich seit meinem ersten Besuch 1963 von 13 Millionen fast verdoppelt, wie überall ballen sich die Massen in und um die Städte, das Land draußen ist dünn besiedelt und nach wie vor in den kargen Weiten von Nomaden genutzt. Das Land hat 30 Jahre Krieg hinter sich, im Süden toben Tag für Tag noch harte Kämpfe mit vielen Toten auf beiden Seiten - der vergessene Krieg heute. Den Menschen geht es auch drei Jahre nach offiziellem Kriegsende und vielerlei internationalen Hilfen (siehe auch: "German medical Diagnostic Center") noch weitaus schlechter als den Deutschen 1948. Es gibt nur zwei Klassen hier: (Super-)Reiche und Arme.

Eine der schlimmsten Folgen der Kämpfe ist die Zerstörung der Infrastruktur, vieler dörflicher Strukturen, vor allem aber des Schulsystems mit der Folge, daß die weitaus meisten der Menschen hier Analphabeten sind. Bei meinem Ausflug nach Kunduz im Norden habe ich zwei Dorfschulen gesehen und fotografiert, die eine unter zwei Zeltdächern, die andere im Freien unter Bäumen, vor dem zerschossenen Schulgebäude. Was machen die Kinder und die Lehrer bloß im harten, kalten Winter, vier Monate lang? Bis vor Kurzem durften Mädchen/Frauen gar nicht in die Schule, im Gegensatz zu früher, jetzt ist wenigstens in den Städten dafür gesorgt. Das Stadt-/Landgefälle in punkto Bildung, Lebensqualität, Lebensstandard usw. ist für uns unvorstellbar!

Meine Fahrt aus dem Iran ins Land ging von er Grenze zunächst nach Herat. Ich hatte sie für ganz Afghanisatan unter das Motto gestellt: 'Warum bei etwas zögern, was man nur einmal falsch machen kann?!' Die Straße war hervorragend, erst vor einiger Zeit von den Iranern neu gebaut. Die Annäherung an Herat war von einem Eindruck geprägt: je näher ich der Stadt kam, desto dichter wurden die Massen an abgestellten LKW, Containern, Sonstigem und, natürlich, ganz viel Schrott, links wie rechts der Straße. Gelegentlich auch eine größere Ansammlung westlicher PKW, wer auch immer der Besitzer war/sein mag.

Mein erster Eindruck von Herat: es hat sich in 40 Jahren nichts geändert, nur der Verkehr ist natürlich stärker geworden! Der Orient, wie ich ihn spätestens in Mashhad erwartet hatte, war erreicht. Es gibt wenig touristische Attraktionen: die Blaue Moschee ist sehr schön, einige interessante Plätze in der Umgebung, damit hat sichs schon. Die Stadt ist, wie alle anderen in Afghanistan einschließlich Kabul, schmutzig, staubig, vermüllt, die Armut lugt aus allen Ecken und riecht aus allen Poren. Und trotzdem hat sie mich gepackt: ein weitläufiger Basar, wie man ihn sich orientalischer nicht vorstellen kann. Nahezu ausschließlich kleine und kleinste Geschäfte und dabei die Ordnung, wie sie die früheren Basare berühmt gemacht hat: jedes Handwerk, jeder Fachbereich etc. ist in einem eigenen Areal angesiedelt, mal mehr, mal weniger weitläufig, abhängig natürlich von der wirtschaftlichen Bedeutung.

Die Handwerker sitzen noch in ihren Läden oder auch im Hinterhof und fertigen die Gegenstände, die an der Straßenfront zu kaufen sind. Natürlich gibt es auch Handelsware, Importe, auf jeden Fall aber wirklich alles, was der Mensch zum täglichen Leben oder zum Herstellen anderer Güter braucht. Mit Ausnahme von LKW, PKW. Dazwischen dann kleine Imbißstuben (ich habe nichts probiert), Getränkeverkäufer usw. In einigen Bezirken, in denen neues und altes Werkzeug, überhaupt jede Menge von gebrauchten Teilen, angeboten werden, liegt die Ware im Freien auf der Straße ausgebreitet, was zwar den Verkehrsraum einschränkt, aber der Übersichtlichkeit dient.

Natürlich gibt es Autoverkehr mit der unverzichtbaren Huperei, dazwischen Motorräder (wie in Iran sind nur max. 125 ccm erlaubt), Fahrräder, einachsige Pferdekutschen als Taxis bzw. -karren als 'Lastwagen', sehr viele Handkarren, bei denen man den Eindruck hat, daß der Mensch das Zugtier ersetzt, gelegentlich auch mal Reiter, wie ich sie gleich am ersten Abend gesehen habe. Und natürlich Menschen, Menschen, Menschen, selten Frauen (denen ich konzediere, auch Menschen zu sein), meist in Burka, unverschleierte Frauen sind häufig Bettlerinnen.

Übrigens: ein richtig schöner, angenehmer Ton ist es, wenn die kleinen Pferdeglöckchen klingeln, sobald eine der Kutschen im Trab oder Galopp vorbeifährt. Ich war von der Stadt so angetan, daß ich den unverschämten Zimmerpreis im Hotel von 51,- Dollar auf 40,- gedrückt habe und dafür eine Nacht länger blieb. Auch der Hinweis ist fällig: mit Ausnahme von Kabul sehen alle Städte hier so aus wie Herat, mit Nuancen natürlich. (Kabul ist erwachsener, moderner, bedeutend näher an unserem Stadtbegriff.) Meine Begeisterung ist mittlerweile einer deutlichen Nachdenklichkeit, einem Bedauern gewichen. So schön es für mich war, noch einmal meine Erinnerungen an orientalisches Leben und Treiben aufzufrischen: in Wirklichkeit handelt es sich darum, daß die Menschen hier durch die Kriege auf das Niveau von weit vor 1963 zurückgeworfen sind und es wohl lange dauern wird, bis sich die Gesellschaft von den Verwerfungen der unterschiedlichen Herrschaftsansprüche, denen sie ausgesetzt war, befreit und erholt haben wird.

Verlassen wir Herat, begeben wir uns auf die Reise über Kandahar nach Kabul. Warnungen, daß ich auf der Hut sein solle, gab es genug, die Frage stellt sich nur: wie macht man das. Klar, ich hatte nicht vor, irgendwo auf der Strecke lange Pausen einzulegen oder mich sonstwie groß zur Schau zu stellen. Ich konnte natürlich mit dem exotischen Gefährt auf den Überraschungseffekt hoffen, und tatsächlich hat so mancher an der Straße den Mund erst zum Stauen aufgemacht, wenn ich schon so gut wie vorbei war. Die Strecke ist, naturgemäß, sehr dünn besiedelt. Man fährt meist durch mehr oder weniger weite (Hoch-)Täler, die zu beiden Seiten von dunstverhangenen Bergen begrenzt werden. Meine leicht bangen Gefühle, was mich an Straßen erwartet, wurden langsam, aber sicher immer lockerer. Die erste Hälfte der Strecke nach Kandahar war geprägt von endlosen Baustellen, die Straße wird erneuert. Ich mußte deswegen häufig auf die Sorte von Pisten ausweichen, wie wir sie früher hatten, allerdings ohne 'Wellblech' und, wegen der überall noch herumliegenden Minen, meist auch beschränkt auf nur eine Spur, die ich mir dann allerdings mit LKW und PKW teilen mußte. Mein Bedarf an Sand, Staub und Dieselruß ist für einige Zeit gestillt.

Ein besonderer Leckerbissen waren die unpassierbaren Brücken, teils zerstört, teils schwer beschädigt. Man mußte die Straße verlassen, manchmal etwas abenteuerlich, um durch das Flußbett zu fahren - jetzt in der trockenen Jahreszeit nicht so problematisch. Teilweise konnte ich auf der neuen Trasse fahren, auch wenn sie noch nicht fertiggestellt war. Allerdings war damit gelegentlich eine etwas problematische Fahrerei verbunden, um von der Baustelle runter oder eben auch wieder drauf zu kommen.

Später gehen die Berge zurück, man findet sich in einer großen, weiten Ebene, es ist dies der zweite Abschnitt der Strecke bis Kandahar. Und damit auch das Ende der Baustellen, die Fahrt führt über die alte Teerstrecke, völlig verlottert, unangenehme Querrinnen und teilweise tükkische Löcher bzw. nach oben gewölbte Verwerfungen von manchmal 20 cm Höhe und mehr. Gemeine Fallen für Fahrer und Maschine. Die Querrillen hatte ich bald im Griff: wie beim Wellblechfahren springen die Reifen bei 70, 80 kmh darüber, daß man sie kaum mehr wahrnimmt - aber: siehe oben: da hilft nur doppelte Aufmerksamkeit, sonst ist ein Abstieg unvermeidlich.

Das Abenteuer unserer damaligen Reise waren die Straßen bzw. die Geländezustände, die man dafür halten sollte und die im wahrsten Sinne des Wortes Mann und Maschine alles abverlangt haben. Dazu die gnadenlose Hitze, die einem teilweise wie ein Gluthauch entgegenschlug. Dies ist heute nicht mehr so. Zum einen deshalb, weil die Straßen weit
besser sind, auch wenn noch mit den geschilderten Hindernissen gespickt, zum anderen deshalb, weil die Streckenführung deutlich weiter nördlich, näher am Hindukusch, verläuft und dadurch die damals zu durchfahrende Wüste nur mehr gestreift wird. Außerdem waren heuer die Temperaturen deutlich niedriger als in manchem anderen Jahr. Dafür hat sich ein neues 'Abenteuer' eingestellt: die vielen Polizeikontrollen unterwegs, manchmal grade mal 15, 20, 30 km voneinander entfernt: siehe Special 'On guns point'!

   
Hotel Police  

Eines meiner Probleme auf dieser Strecke, nämlich die unverzichtbare Übernachtung, habe ich auf (Verzeihung!) höchst elegante Weise gelöst. Einen wieder einmal unerfreulichen Disput wegen der Weiterfahrt löste ich dadurch auf, daß ich mein Motorrad neben der Straße abstellte, mir einen der jungen Polizisten griff und mit ihm zu dem Unterkunfts-Häuschen der Wache ging. Hinter dem Haus, andere waren natürlich neugierig gefolgt, machte ich klar, daß ich da zu übernachten gedächte. Genehmigt!

Kaum hatte ich mein Zelt stehen, wurde ich nach vorn gebeten. Es waren einige größere Teppiche ausgelegt, in der Mitte ein Tuch mit Brot darauf. Nach einiger Zeit gab's höchst schmackhaftes Abendessen: Hühnchenteile in Gemüse. Zu essen mit den Fingern bzw. dem zum Löffel geformten Fladenbrot. Dazu Ayran (so heißt das, glaube ich), das aus Joghurt mit
Wasser zubereitet wird. Löscht den Durst und erfrischt. Wobei für die 15 Mann plus Gast genau 3 Schüsseln mit je einem Kochlöffel bereitgestellt wurden. Ich habe mich trotzdem bedient, schon deshalb, weil alles andere ein Affront gewesen wäre. Die Unterhaltung war natürlich spärlich, wenn auch lautstark, weil keiner den anderen verstanden hat. Den Aleman hatte ich längst klargestellt, auch, daß ich auf der Maschine aus Deutschland angereist war, etc..

Neben meinem Zelt war mittlerweile, um Licht zu haben, ein Benzingenerator angelaufen, der bis weit nach Mitternacht in Betrieb war. Aber Ihr wißt ja: seit Mashhad schlafe ich auch neben startenden Düsenjets. Ich habe, polizeilich bestens bewacht, gut geschlafen in dieser Nacht, die Strapazen an dem Tag waren ja auch nicht ohne. Wecken war um 6 Uhr, kurz nach sieben war ich wieder auf Achse. Noch ca. 130, 140 km bis Kandahar.

1963 waren wir mehrere Tage, als Gäste einer deutschen Familie, in Kandahar und haben gelebt wie die Made im Speck. Diesmal startete ich den Versuch, die Stadt zu erkunden, frühere Plätze wieder zu finden etc. Tief frustriert habe ich den Versuch abgebrochen, die Terrorzeiten bzw. die Anspannung, die davon immer noch übrig ist, spürt man allenthalben:
ich bin durchgestartet und Richtung Kabul buchstäblich geflohen. Um meinen Nimbus noch zu stärken, kann ich mir die etwas zweispältige Bemerkung nicht verkneifen, daß in den Tagen, in denen ich dort unterwegs war, drei Ausländer (1 Brite, 2 Japaner) und einige mehr Einheimische (Polizisten und Zivilisten) ums Leben kamen.

Dank der neu gebauten Straße zwischen Kandahar und Kabul konnte meine Weiterfahrt schleunig stattfinden, Ausnahme: siehe Special 'On gunspoint'! Es war klar, daß ich auch bei höherer Geschwindigkeit, als ich sie auf dieser Reise fahre (meist zwischen 80 und 100 kmh), nicht vor Anbruch der Dunkelheit nach Kabul kommen würde. Nach Kartenstudium nahm ich mir vor, in Ghazni, ca. 140 km vor Kabul, zu übernachten. Das war ein guter Plan, vor allem auch deshalb, weil ich mich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ und deshalb Zeit hatte, immer wieder links und rechts des Asphalts in der Landschaft nach den Resten der damaligen Piste Ausschau zu halten. Dabei wurde mir bald klar: auch diese Strecke wurde begradigt, verlegt, manche Erinnerung konnte ich nicht vor Ort verifizieren.

Mein Plan war nach meiner Überzeugung sogar so gut, daß ich erst nach fast einstündiger Suche in Ghazni zu der Einsicht gelangte: zu gut, aber nicht ausführbar. Es gibt kein Hotel in Ghazni! Die Strecke liegt zudem zu nahe an den äußerst unsicheren Grenzregionen zu Pakistan, sodaß sich eine Übernachtung im Zelt verbot. Was blieb mir anderes übrig, als entgegen allen hehren Grundsätzen mit Volldampf gen Kabul zu brettern, solange, bis die Dunkelheit und damit die unbeleuchteten anderen Fahrzeuge auf der Straße zu langsamerer
Fahrt zwangen. Von Polizeikontrollen einmal ganz abgesehen. Die letzte erwischte mich kurz vor der Stadt, wo es ca. 45 Minuten und einiger Telefonate bedurfte, daß ich doch in die Stadt fahren durfte. Mein mühsam herausgefahrenes Zeitpolster war jedenfalls im Orkus polizeilicher Wegelagerei versunken.

In Kabul landete ich schnell (es war längst dunkel) auf einem kleinen Marktplatz, wo über einen dort wartenden Taxifahrer nach etwa 20 Minuten ein passabel englisch sprechender junger Mann gefunden war, der mich zur ISAF (I know, where they are! - was aber nicht stimmte) zu lotsen versprach. Preis: 10 Dollar. Schließlich landete ich, was nie meine Absicht war, nach mehreren Zwischenstationen vor der Deutschen Botschaft. Dort steht ein, wie sich bald herausstellt, netter, schlaksiger, großgewachsener jüngerer Mann, der sofort auf mich zukommt und sagt: 'Was suchst Du denn, kann ich Dir helfen, wo willst Du denn hin?'

Das 'Du' gefällt mir, es hat so etwas vertrauenerweckendes. Ich erkläre ihm meine Situation und er empfiehlt mir das Interconti, die anderen Hotels wären einfach nicht sicher. Als ich ihm erwidere, daß ich eigentlich nicht Kabul kaufen wollte, meinte er: 'O.k., mein Freund kommt gleich, dann fahren wir zum Deutschen Hof, da finden wir schon was zum Schlafen für Dich!'. So war's dann auch. Nach einer Zankerei mit den beiden Afghanen, denen plötzlich die ohnehin überteuerten 10 Dollar zu wenig waren (entnervt habe ich 2 Dollar draufgelegt), sind wir durch das hier übliche hohe Tor in den Parkhof des Deutschen Hofs eingefahren. Siehe Special 'Besondere Highlights in Afghanistan'.

Ich wurde herzlich begrüßt und aufgenommen, als einer der bereits anwesenden Gäste plötzlich ein (Paulaner-)Weißbier serviert bekam. Da habe ich mir kurz entschlossen von den Anwesenden die Genehmigung geholt, das Areal zur exterritorialen Zone zu erklären, was schlagartig mein Alkoholverbot aufhob, 5 Minuten später stand mein Weißbier vor mir.

Ich blieb vier Tage in Kabul. Erholung, Stadtbummel, mehrere Besuche bei der Bundeswehr im 'Camp Warehouse' (siehe: Special 'ISAF und die deutschen Truppen in Afghanistan').
Ansonsten galt: 'Alkohol, mäßig genossen, ist auch in größeren Mengen nicht schädlich!' Von Kabul fuhr ich über den Salang-Pass (3.600 m hoch) 350 km nach Norden, nach Kunduz, wo ebenfalls ein Kontingent der Bundeswehr liegt. Dort tut z.Zt. Martin, Dieters Schwiegersohn, Dienst. Die Begrüßung war herzlich, wir hatten trotz seiner Dienstverpflichtungen die Möglichkeit, uns mehrfach zu sehen und dabei mehrere Stunden über alles mögliche zu plaudern. Ansonsten schaute ich mir die Stadt an, die Baustelle des neuen Camps, das irgendwann nächstes Jahr bezogen werden wird, einige Hinterlassenschaften der sowjetischen Besatzung und genoß die Gastfreundschaft im Lapis Lazuli (siehe: Special 'Besondere Highlights in Afghanistan').

Die Gegenden nördlich des Hindukusch sind, in den Tallagen, wesentlich fruchtbarer als im Süden und deshalb sehr intensiv landwirtschaftlich genutzt. Von der Hektik in den Städten südlich des Hauptkamms war nichts zu spüren, auch auf dem Land gings relativ ruhig zu, außerdem gab's keine einzige Polizeikontrolle.

Die Rückfahrt war wieder unproblematisch, wenn man davon absieht, daß man mit allem rechnen kann, vor allem aber meschuggen Autofahrern, die auf den Geraden warten (hier zu überholen wäre möglicherweise ein Ausdruck von Feigheit!), bis eine Kuppe oder eine unübersichtliche Kurve kommt - dann wird vorgeprescht. Da es sich weit überwiegend um rechtsgelenkte Fahrzeuge handelt, wird der Überholvorgang natürlich dadurch eingeleitet, daß man erst mal ganz rauszieht, der Fahrer muß ja sehen, ob er einen Entgegenkommenden per Hupe oder Lichthupe warnen muß - überholen wird er auf jeden Fall, es sei denn, der andere wäre stärker, beispielsweise LKW oder Bus, wobei klar ist, daß der Motorradler immer zu den schwächeren zählt.

In Kabul angelangt, wurde ich wieder herzlich, freundschaftlich begrüßt. Mein Aufenthalt hier wird deutlich länger sein, als geplant, weil ich mich überzeugen ließ, daß es ein zur Zeit unkalkulierbares Risiko darstellt, über Jallalabad zum Khyber-Pass zu fahren. Es gibt in dieser Region jetzt vor der (Afghanistan-)Wahl jeden Tag Tote und Verletzte. Die ewig gestrigen wollen mit jeder möglichen Gewalt einen Erfolg der Wahlen verhindern. Selbst in Kabul gab es vom 16. auf den 17. September 3 erschossene Polizisten. Also jetzt doch ein Zögern (siehe weiter oben!)

Die Zeit nütze ich, um diesen Bericht zu verfassen, wofür ich (danke, danke!!) das Internet im Deutschen Hof benutzen darf (immer, solange Gunter seinen Schreibtisch/PC nicht braucht). Dieser Zeit und der Muße, die ich durch die Umstände habe, ist auch zu einem guten Teil die Ausführlichkeit zu danken. (Viel Spaß beim Lesen....hahhahahahaha)

Gestern war ich, auf Vermittlung von Gunter, beim afghanischen Dep. Minister for Tourism, der interessiert von meiner Fahrt Kenntnis genommen hat, anschließend bei einem deutlich weniger begabten Interviewer, der mit wenig Englisch-Verständnis meine Antworten notierte. Ich bin gespannt, was da als Bericht herauskommt. Geschätzte 50 % meiner Aussagen hat er nicht verstanden, nur dank der Dolmetscherdienste von Mr. Javett, des Fahrers des Deutschen Hofs (der mir in den Tagen hier schon häufig weitergeholfen und mich, immer freundlich und kompetent, in allen Lagen bestens betreut) wird hoffentlich größerer Unsinn vermieden (anders als in Mashhad, wo der Typ geschrieben hat, ich wolle in vier Monaten die Welt umrunden?!?). Eigentlich schade, ich mag dieses Land und seine Menschen immer noch sehr und hätte mir gewünscht, daß bei einer solchen Gelegenheit ein 'schmissiger' Artikel zustande kommt.

Vor uns steht ja auch der deutsche Wahltag, am Abend wird hier im Bierkeller, den ich noch nicht kenne, eine Wahlparty stattfinden. Es hat sich auch hoher Besuch angekündigt, ich werde davon noch berichten!

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Die Wahlen sind vorüber, sowohl in Deutschland, wie auch in Afghanistan. Mit dem Ende des Wahlkampfs hier und dem pünktlichen Abschluß der Wahl hat sich auch die Sicherheitslage wieder entspannt, sodaß ich, sobald mein Pakistan-Visum eingetragen ist (was vor dem Wahltag verweigert wurde) meine Reise fortsetzen kann.

Vor der Wahl hatten viele Ausländer das Land verlassen, andere, wie z.B. die UN-Mitarbeiter, hatten Ausgangssperre, wieder andere erlegten sich diese selbst auf. Es war also unsicher, wie groß die Teilnehmerzahl an der Wahlparty hier im Deutschen Hof sein würde. Im Laufe des Abends wurden es dann doch rund 50 Menschen, darunter auch einige Afghanen, zwei davon, offensichtlich höhergestellte Persönlichkeiten, in dem bei uns wohlbekannten 'Karsai-Look', was wirklich gut aussieht. Es gab Bier, Wein und auch sonstige
Akoholika, es lief aber nicht nur der Alkohol, sondern auch die Wahlberichterstattung auf Großleinwand. Wir waren also zeitgleich bestens informiert. Freud und Leid waren, wie in Deutschland, gut verteilt, wenn auch, an der Lautstärke abzumessen, der SPD-Flügel deutliches Übergewicht hatte. Die Nacht war, wegen der Zeitverschiebung von 2,5 Stunden,
reichlich kurz.

Das war's für diesmal, mein nächstes Ziel ist Pakistan, wo ich als Sondereinlage ein gutes Stück des Karakorum-Highways befahren will - darauf freue ich mich ganz besonders!



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