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Erlebnisbericht vom Ultra-Trailmarathon am 21.7.2007        
 
Auf der Spur des Bären

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Morgennebel liegt über dem Nahetal, als wir auf den Parkplatz des riesigen Kompostwerkes neben der A 62 fahren. Mein Vereinskollege Dirk und ich frösteln, als wir auf das Thermometer schauen. Dieses zeigt mitten im Hochsommer nur 11 Grad an, aber optimal für einen langen Lauf.

Nach einem kurzen Fußmarsch über die kleine Nahebrücke sind wir auch schon am Startgelände des Bärenfels Ultra – Trailmarathons, der unter den Ultraläufern schon fast Kultstatus genießt. Als wir das ausgehängte Profil mit seinen 63 Kilometern und über 1700 Höhenmetern sehen, wissen wir, dass es heute ein sehr langer Tag werden wird. Die Strecke besteht aus einem Rundkurs mit 21 Kilometer Länge, der dreimal durchlaufen wird, mit der Möglichkeit nach einer oder auch zwei Runden auszusteigen.

Nachdem wir die Startnummern abgeholt haben und uns am Auto umziehen, merken wir, dass es keine Toiletten gibt. Also mit der Klopapierrolle einmal im Unterholz verschwinden und schon stehen wir erleichtert am Start. Dort fällt uns fast die Kinnlade herunter. Viele Topläufer aus der Region und einige erfahren Ultraläufer, wie der Zweite des 100 km Laufes in Biel 2007, scharren schon mit den Hufen. Wir gehen nochmals unseren Zeitplan durch und rechnen mit einer Endzeit von sechs bis sechseinhalb Stunden. Wobei wir versuchen wollen, die erste Runde in zwei Stunden zu laufen.

Nach einer kurzen Ansprache des Veranstalters geht es mit fünf Minuten Verspätung los. Entlang der Autobahn laufen wir im großen Feld über den Naheradweg. Beim ersten Kilometerschild schauen wir auf die Uhr – 5:05 Minuten – wir sind viel zu schnell. Bei Kilometer 2,5 verlassen wir den Naheradweg und eine steile Rampe beginnt. Langsam erreichen wir auf der Anhöhe dann eine kleine Holzhütte wo es die ersten Erfrischungen gibt. Leider haben wir keine Zeit um die schöne Aussicht zu genießen, denn es geht jetzt steil bergab.

Nun führt der Weg über mehrere Kilometer leicht ansteigend durch den Wald um nach einer kurzen aber giftigen Steigung in einen Singletrail zu münden. Wir sind nun am berühmten Bärenfels, der dem Ultramarathon seinen Namen gab. Mit rotem Absperrband ist die Strecke nun markiert. Es geht dazu über einige Kletterpassagen und über rutschige Felsen. Einige Läufer stürzen auf dem glatten Untergrund und holen sich Schürfwunden. Oben angekommen wartet schon der zweite Verpflegungspunkt. Wir trinken ein paar Becher Wasser. Die nächsten Kilometer geht es gemäßigt über gut zu laufende Waldwege.

Erst ein steiler Abstieg erfordert wieder unsere ganze Konzentration. Der Untergrund besteht aus nassem Gras, welches mit groben Steinen gespickt ist. Wieder rutschen einige aus und purzeln ins Gras. Nach Verpflegungspunkt drei erwartet uns der vorletzte Anstieg. Wieder schlängelt sich ein schmaler Weg nach oben. Er mündet auf einer breiten Forstpiste, die sich in Serpentinen nach oben windet.

Geistig gehen wir davon aus, dass wir es nun fast geschafft und gleich die erste Runde absolviert haben. Doch weit gefehlt! Ein wahres Feuchtbiotop erwartet uns in einer Senke und lässt uns bis zu den Knöcheln im Schlamm versinken. Als Steigerung  groggyfolgt danach die ultimative Herausforderung der Runde. Fast senkrecht führt ein Pfad einen Hang hoch. Auf allen Vieren klettern wir nach oben. Der Puls schnellt in die Höhe. Hier ist Laufen nicht mehr möglich. Danach fallen wir mehr die Abstiege hinunter als dass wir diese laufen. Nachdem wir eine Wiese überquert haben, sind es nur noch 100 Meter bis zum ersten Wendepunkt. Wir essen und trinken wieder etwas. Danach schauen wir auf die Uhr und sind erstaunt. Wir benötigen 1:50 Stunden für die erste Runde. Vielleicht schaffen wir es ja, wenn es optimal läuft, unter 6 Stunden zu bleiben.

Runde 2 ist schon etwas härter. Dirk hat an den steilen Rampen erste Probleme an mir dran zu bleiben. Da ich aber mit Magenproblemen zu kämpfen habe und öfters in den Büschen verschwinde, hat er jedes Mal die Gelegenheit aufzuholen. An der Wendemarke nach der Marathondistanz habe ich einen kleinen Vorsprung von zwei Minuten auf Dirk herausgelaufen. Meine Zeit für die zweiten 21 Kilometer beträgt 1:56 Stunden.

Am ersten steilen Anstieg fehlt Dirk plötzlich. Er muss an den Rampen langsam gehen. Doch auch meine Beine schmerzen. Aus Frust knappere ich an einigen Hanutas, die ich an der Verpflegungsstation mitgenommen habe.

An der Verpflegungsstelle auf dem Bärenfels treffe ich seit langem wieder einen anderen Läufer. Als er mich sieht, startet er einen Zwischensprint um sich vor mir ins Ziel zu retten. Ich bleibe erst einmal stehen und esse von allem was da ist. Nachdem ich auch noch einen halben Liter Cola getrunken habe, mache ich mich auf die Verfolgung. Von Dirk ist weit und breit nichts mehr zu sehen.

Nach zwei Kilometern bin ich an meinem Konkurrenten dran. Ich merke, dass er auch schon sehr schwer läuft. Auf einer kurzen Gerade ziehe ich vorbei und versuche zu lächeln um ihn zu demoralisieren. Geschafft, er lässt gleich abreißen und schlägt ein wesentlich langsameres Tempo ein. An der letzten Verpflegungsstation esse ich einige Gummibärchen und trinke noch etwas Cola. Ich bin weit und breit auf weiter Flur. Die Mädels von der Station meinen, dass ich im Gesamtklassement siebter wäre. Jetzt will ich versuchen diese Position zu halten. Wie im Rausch klettere ich den Steilhang zum dritten Mal hoch. Ich bin voller Endorphine – das ist der Runner`s High. Die Schmerzen spüre ich fast nicht mehr.

Als ich auf die Wiese einbiege schaue ich mich noch einmal um. Niemand weit und breit. Ich versuche locker zu laufen und zu lächeln. Im Ziel bin ich dann nach 5:48 Stunden, diese Zeit hatte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt. Ich schütte erschöpft mehrere Becher Cola in mich rein und warte auf Dirk. Nach 5:59 Stunden läuft er schweren Schrittes über die Ziellinie. Erschöpft muss er sich die ersten Minuten am Getränketisch festhalten.

Nach der erfrischenden Dusche im Gemeindezentrum Hoppstätten fühlen wir uns wieder besser. Im Gesamt-klassement sind wir 7er und 10er, und das in einem hochklassigen Starterfeld. Als wir dann noch bei der anschließenden Siegerehrung jeweils Platz zwei in unseren Altersklassen belegen sind wir uns einig, dass dies der beste Lauf in unsere Läuferkarriere war. Der Ultramarathon über 100 Kilomter in Biel 2008 kann kommen.

Text und Fotos: Timo Rokitta