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Trophèe du Hoggar
MTB-Abenteuer
in der Sahara


von Barbara Thiel, Dezember 2006

Zum Saisonausklang Ende November hat sich ein Trio vom RSLC Holzkirchen auf ein Mountainbike-Abenteuer der besonderen Art eingelassen: eine einwöchige Rallye im südalgerischen Hoggar-Gebirge, veranstaltet von einem französischen MTB-Instruktor in Zusammenarbeit mit dem algerischen Ministerium für Tourismus. Rund 250 km über Stock und Stein sollte es in sechs Tagesetappen durch die karge Wüstenlandschaft gehen. Übernachtet werden sollte im Biwak unter freiem Himmel. Und atemberaubende Ausblicke sollten für die Strapazen im unwegsamen Gelände entschädigen.

Nur eine kleine Gruppe Mountainbiker hatte sich am 19. November neben zahlreichen Wanderern und Pilgern morgens um kurz nach 4 Uhr in Paris/Orly eingefunden, um den Flieger nach Tamanrasset zu nehmen. Die sieben Aufrechten haben wir uns bald genannt, denn in einer so kleinen Gruppe lernt man sich schnell kennen und hält besonders gut zusammen. Mit Thierry Rocque, dem französischen Veranstalter der Rallye und vier Touareg in zwei Begleitfahrzeugen – einem Koch, einem Physiotherapeuten und Krankenpfleger sowie zwei Fahrern und Guides – ging es nach einer Stippvisite in der auf ca. 1300 m Höhe gelegenen Wüstenmetropole schon am Nachmittag auf die Mountainbikes. Zur Akklimatisierung stand eine kurze ungezeitete Verbindungsetappe bis ins erste Biwak auf dem Programm. In den kommenden sechs Tagen würden wir uns abseits der Zivilisation bewegen, uns nur draußen aufhalten und jeden Tag mindestens eine Wertungsprüfung fahren.




Die erste Etappe am Montag war aufgeteilt in eine Verbindungsetappe zum Aufwärmen und eine erste gezeitete Wertungsprüfung, bei der sich gleich zeigte, wer „der Herr im Haus“ ist. Pierrick Ethoin ließ sich den Sieg nicht nehmen, fuhr fast auf das „Vorausauto“ auf, das die Strecke an allen kritischen Stellen im Gelände oder Weggabelungen mit Flatterbändern markierte. Anton Martin kam als zweiter ins Ziel und war selbst am meisten überrascht, hatte er sich doch unterwegs sogar einmal verfahren. Barbara Thiel hatte gegen die sechs „Jungs“ verständlicherweise keine Chance und stellte sich darauf ein, nur ums Ankommen zu fahren. Die Streckenführung bot bereits alles, was die Wüste Mountainbikern an Gemeinheiten zu bieten hat: raues Gestein, tonnenweise Staub, kraftzehrende sandige Passagen, reifenmordende stachelige Wüstenakazien und hartes, spitzes Kamelgras sowie eine Vielzahl von sich kreuzenden Pisten, die die Orientierung erschweren. Erholung bot das in eine fantastische Felslandschaft eingebettete Biwak. Doch die meisten zog es schon wieder auf das MTB und so organisierten wir am Nachmittag noch einen Trialparcours zwischen großen Felsbrocken hindurch bzw. quer drüber. Ein Paradies für Freestyle-Freaks!

Am nächsten Tag wurden eine Verbindungsetappe und zwei Wertungsprüfungen ausgefahren und es ging bis auf über 1800 m Höhe hinauf. Vor dem Start zur ersten Sonderprüfung war Gelegenheit, sich jahrtausendealte Felsgravuren anzuschauen, auf denen Giraffen, Elefanten und andere Tiere zu sehen waren, die es heute in diesem Teil Afrikas gar nicht mehr gibt! Der erste Teil des Rennens führte dann über eine ausgefahrene, löcherübersäte harte Piste zum Teil steil bergan durch eine Landschaft, in dem das Auge vor allem von der Vielfalt der Erdfarben in den Bann gezogen wurde: Von schwarzem Gestein bis zu fast weißem Fesh-Fesh, einem mehlartig feinen Sand, über die gesamte Palette der Braun- und Ockertöne war alles geboten. Nach einer Pause auf der Passhöhe wurde der zweite Teil des Rennens für diesen Tag gestartet: wesentlich kürzer, dafür umso heftiger. Nach einer kurzen Abfahrt und einer kräfteraubenden Passage durch ein sandiges Wadi zog sich die Piste nun sanft bergan. Auf einmal war auch alles grün und dicht bewachsen. Wir fuhren in eine große Oase ein und sichteten auf ca. 1830 m Höhe das erste Dorf seit wir Tamanrasset verlassen hatten. Dort wurden wir gleich von einer ganzen Rasselbande Kinder angefeuert, denen wir wahrscheinlich Gesprächsstoff für die nächsten Tage lieferten. Pierrick hatte seine Führung ausbauen und Toni seinen Platz halten können. In gebührender Entfernung vom Dorf Terhenanet schlugen wir unser Biwak auf, erkundeten die Umgebung, kontrollierten unsere Bikes und genossen den Blick auf die höchsten und bekanntesten Gipfel des Hoggar: den aus der Ferne wie einen großen Buddha aussehenden Ilamane und den Assekrem, die am nächsten Tag unsere Wadln herausfordern sollten.

Mitte der Woche und härteste Etappe. Dabei ließ ein Blick auf die Entfernungen eher einen lockeren Tag erwarten. Doch schon die Verbindungsetappe durch ein über sechs Kilometer langes Wadi, an das ein steiler Aufstieg anschloss, forderte uns einiges ab. Hier machte sich Wüstenerfahrung bezahlt, denn mit einem geschulten Blick fürs Gelände fand man die richtige Spur durch das sandige Flussbett viel leichter. Dumm für Barbara, dass diese Passage nicht auf Zeit gefahren wurde, so konnte sie ihre Erfahrung aus früher gefahrenen Motorradrallyes nicht ausspielen. Nach dem Start zur ersten Wertungsprüfung an der ältesten Moschee des Hoggar auf knapp 2000 m Höhe ging es dann richtig zur Sache. Die Piste hinauf zum Ilamane war im vergangenen Jahr überhaupt nicht befahrbar gewesen und auch heuer eine Herausforderung. Der grobe, scharfkantige Schotter machte uns Bikern schwer zu schaffen und außer Pierrick mussten alle immer wieder mit den Füssen auf die Erde, zum Teil sogar auf den kurzen Bergabstücken. Selbst unsere Begleitfahrzeuge konnten nur ein Durchschnittstempo von 4 km/h vorlegen. Doch die grandiose Landschaft und die mit Tausenden dunkelrot blühenden Blumen überzogenen Berghänge ließen die Qualen vergessen.

Über eine Kammstraße ging es von der Passhöhe bis ins erste Ziel des Tages, wo uns eine Herde wilder Dromedare Gesellschaft leistete. Nach einer rasanten, aber alle Aufmerksamkeit fordernden Abfahrt erwartete uns die zweite Wertungsprüfung, die rund 3 km lange Auffahrt auf die auf knapp 2600 m gelegene Passhöhe des Assekrem. Nach den vergangenen Tagen, in denen wir kaum eine Menschenseele getroffen hatten, herrschte hier regelrecht „Verkehr“, denn der Assekrem ist für Pilger und Saharawanderer ein Muss. Auch wir kletterten nach einem wohl verdienten Picknick noch hinauf zur Klause des Pater de Foucauld, der dort 1910 als Einsiedler lebte. Wenn man den unbeschreiblichen Blick von dort über den Hoggar schweifen lässt, kann man verstehen, warum er sich dieses abgelegene Fleckchen Erde ausgesucht hat, um dem Himmel näher zu sein. Für uns endete der Tag ein paar Kilometer talabwärts in einem herrlichen, aber vor allem aufgrund der Höhe (2400 m) auch frostigen Biwak. In der Zwischenwertung der Rallye lag Pierrick unangefochten in Führung. Toni musste seinen zweiten Platz abgeben, die technisch schwierige Etappe hatte ihn auf den 5. Platz zurückgeworfen. Walter, Loic und Patrick waren an ihm vorbeigezogen, lagen aber noch in Reichweite.

Die vierte Etappe sollte die längste sein, aufgeteilt in eine Wertungsprüfung, eine Verbindungsetappe und zum Abschluss einen gezeiteten 10-km-Sprint. Doch heute ging es vor allem bergab. Was aber natürlich im unwegsamen Gelände auch seine Tücken haben kann. Das bekam besonders Pierrick zu spüren, der sich kurz nach dem Start der ersten Prüfung einen Platten einhandelte, danach wieder auf die Spitze auffuhr und beim Überholmanöver so unvermutet ausweichen musste, dass ihm das riesige steinige Loch neben der Piste fast zum Verhängnis wurde. Resultat: Sturz mit viel Geschick vermieden, dafür aber vorne und hinten der Reifen platt. Damit gab es zum ersten Mal einen anderen Etappensieger und der Vorsprung auf den zweiten, Walter, schmolz von einer Dreiviertel- auf eine halbe Stunde. Auf der Verbindungsetappe wurden wir alle vom „Wellblech“ auf der Hauptpiste so durchgeschüttelt, dass wir uns auf die zweite Wertungsprüfung, einen knapp 10 km langen Sprint im flachen Gelände bis ins Biwak bei Tifereren, richtig freuten. Toni blieb zwar auf dem fünften Rang, aber der Kampf um den dritten Podestplatz war offener denn je: Nur wenige Minuten trennten die drei Kontrahenten, die sich noch Hoffnungen darauf machen konnten, während Walter seinen zweiten Platz wohl nicht mehr hergeben würde.

Der letzte Wettkampftag war angebrochen. Nach einer kurzen Aufwärmetappe standen wir konzentriert am Start zur letzten Sonderprüfung. Ein buntes Potpourri aus allem, was wir in den Vortagen unter die Stollenreifen gekriegt hatten, erwartete uns: Steine, staubiger Fesh-fesh, Wadi-Sand, ein knackiger Anstieg gefolgt von einer technisch anspruchsvollen Abfahrt, Wellblech, Kamelgras-Buckel und Dornen abwerfende Wüstenakazien. Den Sieg der Tagesetappe teilten sich Pierrick und Toni, die zeitgleich über die Ziellinie fuhren. Damit hatte sich Pierrick endgültig den Sieg geholt. Toni hatte sich aufs Podest zurückgekämpft und freute sich wie ein Wüstenkönig. Es war schließlich sein erstes MTB-Rennen überhaupt gewesen. Nachdem wir unser letztes Biwak am Fuße des Iharen, einer riesigen Steinpyramide, aufgeschlagen und zum Picknick das erste Bier seit einer Woche genossen hatten, ließen wir den Nachmittag mit einer Tour zu einer mitten in der Wüste gelegenen sprudelnden Mineralwasserquelle und den Abend mit Geschichten am Lagerfeuer ausklingen. Dann zogen wir uns zum letzten Mal in unsere Schlafsäcke zurück. Doch geschlafen haben wir alle sicher erst, nachdem wir die hunderttausend Sterne über uns noch lang betrachtet hatten, denn nirgendwo ist der Sternenhimmel so klar und funkelnd wie in der Wüste.

Über die Hauptpiste rollten wir am Samstag wieder in Tamanrasset, unserem Ausgangspunkt, ein. Eine Stadtrundfahrt mit dem Bike, ein Besuch des Kamelmarkts und ein üppiges Mittagessen, für das wir zum ersten Mal seit einer Woche wieder ein Haus betraten, schlossen sich an. Der Nachmittag verging mit dem Verpacken der Bikes, einem Bummel im Souk und einem Besuch im Hammam, um den Staub der vergangenen Tage loszuwerden. Und am Abend wurde ein Fest zu Ehren der sieben Aufrechten gefeiert: mit Siegerehrung, Touaregmusik und einem traditionellen Méchoui.

Eine erlebnisreiche Woche lag hinter uns. Wer eine nicht ganz alltägliche Tour unternehmen will und das Outdoorleben liebt, der wird sich bei der Trophée du Hoggar sicher wohlfühlen. Die Veranstaltung war gut organisiert und es wären ihr mehr Teilnehmer zu wünschen. Für Pierrick und Barbara war es eine Afrika-Erfahrung, die sie schon zig Mal in ähnlicher Form gemacht haben und nicht mehr missen möchten. Denn es ist etwas dran, wenn es heißt: Einmal Wüste, immer Wüste, einmal Afrika, immer Afrika – wenn der Virus einen einmal gepackt hat, dann lässt er einen nicht mehr los. Für Toni war es eine komplett neue Erfahrung, an dessen Ende wohl nicht nur für ihn, sondern auch für die vier anderen Aufrechten aus Frankreich feststand: Der Virus hat auch uns im Griff.

Weitere Infos gibt es bei Barbara Thiel.

Ein paar wertvolle Hinweise und Tipps:

Temperaturen im November: tagsüber bis 28 Grad / nachts zwischen 5 und -4 Grad (natürlich auch abhängig von der Höhe)
 
Der Trinkwasserbedarf ist hoch. Der Veranstalter liefert an Start und Ziel, zum Teil auch öfter, keimfreies Wasser (z.T. sogar Mineralwasser in 1,5-l-Flaschen). Man sollte aber für alle Fälle Micropur dabei haben. Pro Stunde im Sattel sollte man mit einer "Radlflasche" (0,5 bis 0,7 l) rechnen. Am besten ist natürlich ein Camelbag. Isostar (oder ähnliches) und Magnesium sind nützlich. Energieriegel oder Trockenobst für unterwegs können ebenfalls nicht schaden.
 
Bei der Kleidung sollte man fürs Biken Ärmlinge und Beinlinge nicht vergessen (morgens kann es richtig kalt sein). Helm ist Pflicht, eine gute Sportbrille (dunkle Gläser), Sonnencreme und Labello ebenfalls. Fürs Biwak vor allem auch an warme Sachen, einschließlich Mütze, Buff und Handschuhe, denken, denn sobald die Sonne weg ist, wird's - wie jeder weiß, der schon in der Wüste war - empfindlich frisch.

Ins Gepäck gehören selbstverständlich auch ein Erste-Hilfe-Set und ggf. persönliche Medikamente sowie eine Stirnlampe fürs Biwak. Um einen trikottaschengerechten Fotoapparat beneidet einen jeder.
 
Mit dem Fully fährt es sich vor allem auf den Wellblechpisten und in den steinigen Passagen am bequemsten. Aber mit einem Hardtail kommt man natürlich auch durch. Wichtig ist es, vor der Abreise einen kompletten Check durchzuführen. Das Material wird nämlich wesentlich stärker belastet als in unseren Breitengraden und als man sich das gemeinhin vorstellt. Für den Transport ist ein Radkoffer die beste, weil robusteste Lösung. Ein Pappkarton (bei jedem Radhändler zu kriegen) tuts aber auch. 1 - 2 Ersatzschläuche und Flickzeug, eine kleine Luftpumpe sowie die wichtigsten Schlüssel (Multitool) und einen Kettennieter sollte man auf jeder Etappe dabei haben. Fürs Biwak einen Ersatzmantel, weitere Schläuche und Flickzeug. Wem es auf ein paar Gramm mehr nicht ankommt, kann natürlich Tubeless fahren, sollte die aber unbedingt mit Schlauchmilch "vorbehandeln". Ein paar Speichen (Speichenschlüssel nicht vergessen), Züge für Bremsen und Schaltung sowie eine Luftpumpe vervollständigen die Ausrüstung. (Kartuschen sind praktisch, werden einem aber u.U. am Flughafen aus dem Gepäck entfernt.)
 
Trotz dieser langen Auflistung muss man allerdings beim Packen ungemein aufs Gewicht schauen, da für den Flugtransport sonst Zusatzkosten anfallen, die gesalzen sein können.








   
  
   
   
 
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