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Wieder in Indien                                 <<       >>

   
   

Liebe Leseratten, ich freue mich über die Reaktionen auf meine Berichte, vor allem bin ich überrascht, wie schnell ich jeweils Nachschub liefern soll - wo ich doch den Stoff im wahrsten Sinne des Wortes erst erfahren muss, und dann will ja auch das eine oder andere erst mal ein bisschen verdaut sein, bevor man's an die Anschlagtafel heftet. Ich bin im Moment auf der Reise in den indischen Süden und halte schon mal die bisherigen Reiseeindrücke fest, damit nicht zu viel in Vergessenheit gerät oder von neueren Eindrücken überlagert wird. Es könnte sein, dass es einen Bericht aus mehreren Etappen oder aber einen weiteren Zwischenbericht gibt. Mal sehen.

Der Abschluss der Nepalreise war ja ein ausgesprochen angenehmer, fast kontemplativer Tag in Lumbini, von wo ich dann morgens zur nahen indischen Grenze fuhr. Die Formalitäten waren relativ schnell erledigt, ich habe nur immer wieder mal Schwierigkeiten, bei der auftretenden Arroganz so manches Herrn in Uniform nicht zu grantig zu werden.

Die Fahrt ging nach Varanasi/Benares und war auf dem ersten Drittel eine Tortur. Offensichtlich war irgendein hinduistischer Feiertag ausgebrochen, nicht nur die Ortschaften, die z.T. sehr dicht aufeinander folgen, sondern auch die Strassenabschnitte dazwischen, vor allem aber die Brücken (von denen es auf dieser Strecke viele gibt) waren total überlaufen, teilweise kaum ein durchkommen. Ständig ein anderes Hindernis vor dem Fahrzeug, nach hundert Kilometern, für die ich etwa vier Stunden brauchte, hatte ich die Nase so gründlich voll, dass ich schon mit der Indientour abschliessen wollte.

Zum großen Glück für dieses Land war der Zauber aber offensichtlich nur regional, im zweiten Drittel wurde es allmählich leichter und der Rest war dann die normale indische Verkehrsgaudi, ich bin zwar erst bei Dunkelheit, aber doch nicht ganz spät in Sarnath angekommen - das ist der Ort, an dem Buddha seine erste Rede nach der Erleuchtung gehalten hat. Sarnath liegt ca. 10 km nördlich von Benares und ich wollte es nicht versäumen, mir nach Lumbini auch diesen wichtigen Platz des Buddhismus anzuschauen. Es wäre jetzt nicht richtig, von Enttäuschung zu sprechen, weil einerseits Lumbini ein wirklich besonderer Ort ist, andererseits es Sarnath danach besonders schwer hat, dagegen anzukommen: so etwas wie der 'Masterplan', durch den Lumbini sich allmählich entwickelt, fehlt leider in Sarnath völlig.

Ich habe mir lediglich die archäologischen Areale und die gleich daneben stehende große Stupa, die auf dem Platz der ersten Predigt stehen soll, angeschaut und mich dann auf die Fahrt ins Zentrum von Benares/Varanasi gemacht, mit leicht gemischten Gefühlen, die ich schon die ganze Zeit bei dem Gedanken an die weitere Indien-Tour hatte. Ein Hotel war schnell gefunden, wieder mal Dank der Hilfe eines Tucktuck-Fahrers. Von größeren Fuss-Eskapaden wurde mir, auch wieder mal, nachdrücklich abgeraten, es sei zu unsicher... also habe ich mich, um einen ersten (eigentlich ja nach 42 Jahren zweiten!) Eindruck von der Gangesseite zu erhalten, zu den Ghats fahren lassen.

Zu meiner Überraschung war, wie auch am nächsten Morgen bei der Sonnenaufgangs-Besichtigung, buchstäblich nichts los! Von wegen Menschen-/Pilgermassen: keine Spur davon. Ich hatte ernsthaft Mühe, auf meinen Aufnahmen einen kleinen Eindruck davon zu erhaschen, was das berühmte Treiben auf den Ghatt's ausmacht. Das einzig wirklich bemerkenswerte war das Feilschen um den Bootspreis: der Preis hat sich von geforderten 800 Rupies auf 150 reduziert und selbst die waren noch überhöht, aber eine Bootsfahrt auf dem Ganges gehört nun mal dazu und ich wollte ja den Sonnenaufgang vom Fluss her sehen und nicht vom Ufer aus.

Das Gangeswasser ist, wenn überhaupt, nur unwesentlich sauberer als früher, die Menschen baden aber totzdem mit der gleichen Inbrunst, tauchen unter, trinken einen Becher davon. Ansonsten der übliche Betrieb mit Wäscherinnen und Wäschern, Bootsfahrern, Bettlern (weniger schlimm, als ich befürchtet hatte). Was mir auffiel ist die Tatsache, dass die großen Abwasserrohre, die früher zwischen den Ghats in den Ganges mündeten, verschwunden sind. Ob nun nur tiefer gelegt oder durch Kanalisation ersetzt, weiß ich nicht. Nach der Bootsfahrt bin ich dann doch durch die abseitigen Viertel marschiert (was mir dabei besonders auffiel, waren die vielen Soldaten und Polzisten, voll bewaffnet, in Gangesnähe, in den Seitengassen!). Irgendwann hat's dann auch geblitzt, aber das war kein Messer, das gegen mich gezückt war, sondern ein Sonnenstrahl, der sich in einem
höher gelegenen Fenster gebrochen hat..

Der Rest des Tages war dann der Vorbereitung der Abreise tags darauf gewidmet (Gepäck reinigen etc.), ein bisschen lesen, ein bisschen Internet und nochmal spazierengehen. Zum Schluss dann die Hotelrechnung, ich hatte einen Vorschuss (in advance) bezahlt bei der Ankunft, mir nun die Abrechnung geben lassen - und bezahlt. Der Irrtum ist mir erst im Zimmer aufgefallen, also sofort runter zur Rezeption: der Herr Portier war bereits weg. Unter möglichst guter Kontrolle meines voll aufgeschwollenen Blähhalses hab ich ihn zurückholen lassen und ihm, ohne Rücksicht auf die Umstehenden, meine Meinung zu seinem Verhalten erläutert: meine Vorauszahlung waren 900 indische Rupien, ich habe (wirklich aus Versehen!) 1000 verlangt - und bekommen! Kann nicht ganz schlecht gewesen sein, was ich ihm erzählt habe...

Ausgehend von meinen Erfahrungen auf der Fahrt nach Benares hatte ich mich entschlossen, größere Entfernungen, wo immer möglich, nur mehr auf Schnellstraßen anzugehen, so auch die Fahrt nach Kalkutta. Auf der ersten Hälfte haben sich fertige Abschnitte mit Baustellen und alter Straße abgewechselt, insgesamt aber war es doch eine deutlich angenehmere Fahrerei als durch die Dörfer - die zwar auch dabei waren, aber eben nicht so häufig. Es geht halt immer durch die Gangesebene, man versäumt auf dem 'highway' also ohnehin nicht so viel, weil nach Agra auch die wichtigsten Moghul-Hinterlassenschaften passiert sind. Durch die Tour durch Rajasthan habe ich diesmal (leider) außer Lahore und Agra nicht viel davon gesehen, außer dem starken Einfluss, den der Moghul-Stil auch auf die Reichen Rajasthans ausgeübt hat.

Richtig rund gings dann wieder ab ca. 30 - 40 km vom Stadtkern von Kalkutta, das heute Kolkata heißt, der Einflug war aber doch recht einfach, irgendwann war ich bei der 'Tourist-Information', die natürlich geschlossen war: Freitag nachmittag. Ein verspäteter Mitarbeiter hat sich meiner erbarmt und mir Adresse und Wegebeschreibung zu einer staatlichen Touristen-Lodge gegeben, in einer vor ca. 30 Jahren gebauten Reissbrett-Vorstadt. Ich sollte erst nur ein Zimmer für eine Nacht erhalten. Aber einen Vorteil hat meine Reisevariante: ich bin natürlich überall der Exot, den man anspricht. So konnte ich einen Mann sprechen, der dort wohl über Einfluss verfügt: ich hatte das Zimmer dann für fünf Tage, was ausreichend lang war.

Wichtigster Punkt, bei allem Interesse, die alten Stätten nochmal zu erkunden, war natürlich die Klärung meiner Motorprobleme: das Ding lief nach Nepal – wo in Kathmandu das Problem erledigt schien – wieder unsauber, was bei mir große Besorgnis auslöste. Die wurde dann auch von BMW in München bestätigt mit dem Rat, wenn sich dieses oder jenes ergeben sollte, dann: Maschine raus aus Indien, muss in BMW-Hände - in Indien gibt es (noch) keine BMW-Werkstätte. Auf BMW-Empfehlung war ich dann bei einer Royal-Enfield-Vertretung ('we are the greatest in Kolkata!!!!'), der herbeizitierte 'mechanic' weigerte sich aber, auch nur eine Hand an das Fahrzeug zu legen: er habe sowas noch nie gemacht. Aber: da gebe es einen, der habe so ein Ding schon mal repariert! Zu dem habe ich mich über mehrere Stationen durchgeschlagen, dank der freundlichen Hilfe mehrerer Inder. Wieder einmal die übliche Schuppen-Werkstatt, aber der Mann machte einen guten Eindruck! Es stellte sich heraus, dass er selbt vor einigen Jahren eine BMW gefahren hatte, nach meinem Eindruck vom relativ schlechten Bild her eine BMW R 90 od. 90 S.

Er hat sich weder von mir noch sonst jemand dreinreden lassen und seine Analysen durchgezogen. Der Verdacht, dass Öl über den Luftfilterkasten zum Vergaser kommt (der einzige Anhalt, den ich ihm geben konnte) hat sich glücklicherweise als unbegründet herausgestellt, er hat dann einige Einstellarbeiten am linken Zylinder gemacht (Ventilspiel, Zündzeitpunkt etc.) und mir dazu Erklärungen liefern lassen, die mir total unverständlich waren (technische Erklärungen von Hindi ins Englische ins deutsche Ohr/Gehirn - lief nicht richtig!). Wie auch immer, der Motor läuft wieder einigermaßen sauber, ich werde aber in Bangkok, wo eine gute BMW-Werkstätte sein soll, eine Inspektion vornehmen lassen.

Mein Programm war dann natürlich vorgegeben: anschauen, was war, was sich verändert hat usw. Schöner ist die Stadt nicht geworden, im Innenstadt-Bereich vielleicht sogar etwas sauberer - es sieht so aus, als würde die Müllabfuhr leidlich gut funktionieren, wie gesagt, im Innenstadtbereich: ich will auch Günther Grass' Feststellung, Kalkutta sei 'eine Ansammlung von Slums inmitten von Müllbergen' so nicht akzeptieren! Aus der Vorstadt ins Zentrum bin ich immer mit den öffentlichen Bussen gefahren, Holzklasse sozusagen, 40% der Sitze sind für Frauen reserviert. Die Busse kommen dann auch durch Straßen, in die man selber nicht fahren würde. Es waren Erlebnisse der besonderen Art! Dadurch konnte ich einen Einblick in das Alltagsleben der Menschen mitnehmen. Es könnte/muss einen deprimieren, wie/wo Menschen unter unglaublichen Verhältnissen auf/neben der Straße hausen.

Immer noch findet man die Ärmsten der Armen bereits in Nebenstraßen der Innenstadt, aber bei weitem nicht mehr so viele wie früher, der Kranz der verkommenen Viertel und der Slums hat sich etwas nach außen verlagert, aber die betroffene Bevölkerung hat auch von der neu erbauten Satellitenstdt 'Salt Lake City' in bestimmten Ecken schon Besitz ergriffen, zwischen teilweise recht ansehnlichen Bürokomplexen. Dort ist der Unterschied zwischen Wohlhabenden und Nichtsbesitzenden besonders augenfällig. Es gibt Stufen des Nichtshabens:

  • gar nichts: Schlaf auf dem nackten Boden
  • wenig: Pappkarton als Unterlage, Tuch oder Decke zum Zudecken
  • etwas: zusätzlich Plane über dem Kopf
  • mehr: zusätzlich Kochgelegenheit (Kocher wie beim Camping)
  • besser: kleiner Verschlag
  • noch besser: kleiner Verschlag zum Verkauf von was auch immer, auch gleichzeitig Schlafplatz

Das ganze natürlich immer auf der Straße, dem Bürgersteig, dem Mittelstreifen den Schnellstraßen, also inmitten des stärksten Verkehrs. Sehr häufig muss man auf der Straße laufen, weil die Bürgersteige komplett belegt sind. Angesichts der Bevölkerungs-Explosion greifen die Maßnahmen der Regierung natürlich immer zu kurz, trotzdem: der Anteil der Allerärmsten hat sich in den letzten (zwanzig?) Jahren von 22 auf 19% erniedrigt.

Es mag an den Umständen diesmal liegen: ich habe die Menschen anders, weniger chauvinistisch-verkrampft erlebt als früher. Ich kann mit vielen Verhaltensweisen nach wie vor nichts anfangen, vielleicht ist's ja ein Anfall von Altersweisheit (?!), dass ich manches doch gelassener, toleranter aufnehme. Dazu gehört aber auch das Bewusstsein, dass der Zeitraum damals, seit der Unabhängikeit Indiens 1947 - 1963 sechzehn Jahre betrug, diesmal aber 1947 -2005 achtundfünfzig Jahre, das bedeutet 42 zusätzliche Jahre für die Entwicklung von mehr Staats- und Selbstbewusstsein.....

Im Maidan, dem Zentralpark, gibt es eine Sternwarte (ähnlich dem Deutschen Museum), an die ich mich von früher her nicht erinnern kann, ich habe mir die Schau angesehen, war ähnlich gemacht wie in München. Unweit davon ist das große Indien-Museum, sehr, sehr umfangreich und vielfältig. Man kann gar nicht alles anschauen, entweder man geht vorbereitet in bestimmte Bereiche oder schlendert nach den eigenen Neigungen durch die Abteilungen. Besonders interessant fand ich die Darstellung der indischen Landschaften und der Völker Indiens, ein buntes Bild. Ansonsten gibt es noch einen Bereich, in dem man die Entwicklung und gegenseitige Beinflussung von hinduistischer und buddhistischer Kunst, Architektur etc. interessant aufbereitet hat.

An einem Tag habe ich wieder, noch mehr als an den übrigen, einen Marathonmarsch unternommen und dabei das Victoria-Memorial und die Howrah-Bridge angeschaut. Das Victoria-Memorial sollte mal einen Gegenentwurf zum Tadj Mahal darstellen - Ziel verfehlt! Die Howrah-Bridge dagegen ist als technisches Meisterwerk nach wie vor sehenswert. Etwas weiter flussabwärts gibt es die neue Hängebrucke, die einen interessanten Gegensatz darstellt zur alten Howrah-Bridge und mit ihrer Eleganz durchaus gleichwertig daneben steht.

Ein Besuch im Max-Müller-Bhavan, wie das Goethe-Institut in Indien heißt, durfte auch nicht fehlen, aber ohne die lieben Menschen von damals war der Reiz nicht gar so groß. Es war schön, wieder mal deutsche Zeitungen zu lesen, vor allem aber, gleich am zweiten Abend in der Stadt, in der St.Pauls Cathedral einem Konzert der Leipziger Barocksolisten zu lauschen: Corelli, Fasch, Bodin de Boismortier, Finger, Pezel, Händel, Bach, Telemann, Hertel - ich hab's in vollen Zügen genossen.

Zum Verkehr anzumerken ist noch, dass die Ampelzeiten meist über mehrere Minuten gehen (teilweise mit Anzeige der restlichen Wartezeit) und keiner drängelt, hupt oder sonstwie ungeduldig wirkt, richtig los geht's erst, wenn die Ampelschaltung unmittelbar bevorsteht... wobei dies auch gilt für die weiteren Orte gen Süden. Die Fahrt raus aus Kalkutta war ähnlich der Einfahrt richtig harmlos (was die Orientierung anbetrifft). Wobei anzumerken ist, dass, wie schon auf den früheren Indien-Etapppen, die Auskünfte zu der zu fahrenden Richtung immer mit viel Vorsicht aufzunehmen sind: wäre ich in Khoragpur der Auskunft an zweierlei Stellen gefolgt, wäre ich jetzt wieder in Kalkutta. Es fällt, nicht nur mir auf, dass viele der Befragten einen einfach nicht verstehen, oder aber nicht den Mut haben, zuzugeben, dass sie nicht Bescheid wissen. Teilweise ist es aber auch ein Sprachpro-
blem: man fragt mehrfach nach "Kolkata", wird nicht verstanden, bloß um plötzlich mit der Gegenfrage konfrontiert zu werden "Kolkata?" - in dem Tonfall und der Aussprache, die man zuvor gebraucht hatte!

Dagegen steht die spontane Hilfsbereitschaft, z.B.in der Form, dass mich ein junger Motorradler, sicherlich entgegen seiner zu fahrenden Strecke, über einen Schleichweg zur Schnellstraße gelotst hat, wo er nicht vergaß, mich darauf hinzuweisen, dass ich auf die linke Fahrbahn zu kreuzen habe... oder eine Tagesetappe oder zwei ein anderer, der endlich verstand, dass ich ein Hotel suchte und kein Restaurant und mich dann über 10 km in den Ort und zum wirklich ordentlichen Hotel lotste, mit Frau und Kind hintendrauf.

Seit Lumbini bin ich nun bis Madras mehr als 3000 km gefahren, fast nur in der Ebene, kaum einmal Hügel links oder rechts, noch seltener ein zu überfahrender kleiner Buckel. Je weiter ich in den Süden gekommen bin, desto mehr wird die Vegetation subtropisch, Tümpel,Teiche, zu kreuzende Flüsse und Kanäle, es bleibt zwar beim Einerlei der Geradeausfahrten, aber das Auge registriert doch die vielen Palmen, Bananenstauden und sonstigen "exotischen" Gewächse am Straßenrand und in der Landschaft.

Wie bereits geschildert, bin ich ab Benares (soweit schon ausgebaut) nur über die Schnellstraße gefahren, die da, wo noch nicht ausgebaut, durch Schlagloch-Baustellen oder seit Victoria's Zeiten nicht mehr gepflegte alte Landstraßen ersetzt sind, vor allem bis und auch einige Distanzen nach Kalkutta sind die Brückenfahrbahnen so, dass man glaubt, zu Moghuls Zeiten unterwegs zu sein - dank HPN hat es nur wenige Situationen gegeben, wo das Fahrwerk bis in den Grenzbereich belastet war, sondern im Gegenteil die Reserven zur Verfügung stellte, um auch den gemeinsten Gemeinheiten der Straße und der LKW/Busfahrer gewachsen zu sein. Auch die Ortsdurchfahrten waren mit denen in Rajasthan an Belastung und Gemeinheiten nicht zu vergleichen. Womit ich wieder beim Fahrverhalten ganz allgemein angekommen bin und dem deutschen Kfz-Fahrer mal erläutern muss, um wieviel breiter sich autobahnähnliche Straßen verwenden lassen, als bei uns üblich!!

Der Verwendungszweck solcher öffentlicher Bauten wird bei uns viel zu eng gesehen und ausgelegt, wie man in hiesigen Gegenden tagtäglich erleben kann! Diese zum großen Teil hervorragend (soweit fertiggestellt) ausgebauten öffentlichen Zweckbauten lassen sich wirklich universell nutzen, z.B.

  • in Ortsbereichen (zumindest halbseitig) als Marktplatz, das Pflaster dient der Auslage der Waren,
  • für die meisten der folgenden Zwecke, unabhängig von der (evtl.) ursprünglich geplanten Verkehrsrichtung, auch als Fussweg, Fahrrad- oder Fahrradrikscha- oder Motorrikscha-Strecke,
  • für Ochsenkarren,
  • Fahrbahn für LKW, Busse, LKW etc., auch Motorradler,
  • für (einzeln oder in Herden) Rinder, Ziegen, gelegentlich auch Schweine,
  • zum Trocknen von Getreide (auf Plane oder direkt auf Asphalt), von Kuhmist oder gelegentlich auch von Fischen, dann aber auch direkt auf Asphalt,
  • selbstverständlich auch von Stroh und Kokosnussschalen,
  • ausserdem als Rast-, Park- und Reparaturplatz für vor allem LKW,
  • unbedeutendere Nutzungen wie z.B. Schlafplatz müder Zeitgenossen sollen nicht besonders detailliert werden.

Man kann daraus ablesen, wieviele Gestaltungsmöglichkeiten für den öffentlichen Raum wir in Europa noch haben... - der Schnarcher auf dem Mittelstreifen, soweit Steuerzahler, hat ja auch sein Scherflein dazu beigetragen! Immer wieder und auch ein wichtiger Zweck meiner Reise ist die Begegnung mit den Menschen. Dabei fällt auf, dass die Frage nach dem Land meiner Herkunft jetzt häufiger mit der zweiten Frage "East- or West-Germany" erweitert wird, oder aber "do You like India" ersetzt wird durch, z.B. "do You like Orissa..".

Im sogenannten zwischenmenschlichen Bereich kommt dann schon mal folgender Ablauf vor: Kauf einer neuenn Kladde, weil das (zweite) Tagebuch allmählich voll wird. Fragen, Antworten, wie immer, wenn ich statt Bahn oder Flugzeug mein Motorrad als Reisemittel benenne, großes Erstaunen, diesmal ergänzt um "Please, take Your seat, we have to talk ....". Na gut, das übliche woher, wohin, gewürzt um die Frage, warum ich nicht ein Jahr in Orissa / Indien bleibe. Irgendwann wollte ich das Gespräch beenden - ich hatte tatsächlich Hunger, weil ich an dem Tag noch nichts gegessen hatte. Reaktion: "What is Your Hotel?" ... "What is Your roomnumber?" ..."Why do You ask?" ..."I will come to You to continue our talk!" - keine Frage: ich habe das auch zu wollen!! Da ich noch nicht wusste, wo und wann ich essen werde, war ein Treffen umgangen.

Ein weiterer Punkt, der schon seit langem auffällig ist, ist der, wie noch mehr volksverdummend als bei uns das Fernsehen hier abläuft: der Fernseher läuft zwar, auf Höchstlautstärke, immer und überall, also ebenso in der Bretterbude wie im Restaurant, aber nur mit blödesten Schmonzetten, Actions oder nichtssagendem Tingeltangel - bei dem Einblenden von Nachrichten wird umgeschaltet.

Entgegen meiner ursprünglichen Absicht, nur einen weiteren Indien-Bericht folgen zu lassen, werden es nun zwei, nämlich dieser und ein weiterer, der sich der Südindien-Rundfahrt widmen wird. Dafür aber müsst Ihr mir schon wieder ein bisschen Zeit geben, um meine "Erfahrungen" sammeln zu können. Zum, hoffentlich endgültigen Abschluss des Themas, noch einmal einige persönliche Anmerkungen zu meinen Erfahrungen mit mir in den letzten zwei Monaten! Für mich wurde, ausgelöst durch die Fahrt zur tibetischen Grenze in Nepal, bei der mir schlagartig bewusst wurde, dass ich nicht mehr der Fahrer war, der die Reise begonnen hatte, die Frage bewusst, wie und warum Afghanistan, und ich zitiere, entgegen sonstiger Gewohnheit, aus meinem Tagebuch der letzten Tage:

"nicht nur so lange beschäftigt hat, sondern vor allem so stark belasten konnte. Zum einen war die psychische, die nervliche Belastung doch wesentlich stärker, als ich sie vor Ort (der Südroute vor allem) an mich herangelassen habe (nennt man zum Teil wohl auch 'verdrängen'). Ich wusste durchaus, in welch akuter Gefahr ich mich befand, wollte mich dadurch aber nicht von meinen Plänen, meiner Route abbringen lassen - wie immer man das beurteilen will, Heldenmut war es nicht! Den kann man nur in konkreter Situation beweisen - was nicht einmal im Moment von 'On guns point' der Fall war! Zum anderen waren es die Nachwirkungen der unfassbaren Art, wie im Alltag der Menschen (Einschub: die ich einmal so ins Herz geschlossen hatte) der Wert des eigenen und eines fremden Lebens missachtet wurde/wird - mit unglaublichen Belastungen für mich bei der Fahrerei, und bis heute bei der Erinnerung daran blankes Entsetzen und absolute Verständnislosigkeit. Ich bin allmählich dabei, mich zu Entkrampfen und wieder Spass am Reisen zu entwickeln, aber an den Wirkungen im Tiefen werde ich noch eine Weile zu kauen haben, was ich bei den, relativ, stressfreien Tagen von Kalkutta nach Madras gespürt habe und was noch Zeit braucht, auch wenn ich angefangen habe."

Soviel zur Tiefenpsychologie, wie sie ja auch zu Indien gehört

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