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Argentinien Teil 2                                            <<       >>

ALLGEMEINES

Ich habe, in der Nord-Süd-Dimension, die größte Entfernung zu der Heimat erreicht, ich bin in Ushuaia auf Feuerland, am "Ende der Welt". Ab hier beginnt die Heimreise.

Landschaft(en)

Wenn man auf der Ostseite der Anden nach Süden fährt, erlebt man einen bunten Wechsel der Landschaften. Meist hat man schöne Blicke auf die verschneiten Cordilleren, im Seen-Distrikt passiert man jede Menge großer und kleiner Bergseen, eingebettet in schöne,bewaldete Täler, umgeben von Höhenzügen, die meist bis zu den Kämmen bewaldet sind. Sobald die Straße weiter nach Osten führt, weg von den Anden, ist man wieder in der kargen Pampas-Steppe, unterwegs in fast menschenleerer Umgebung, mit spärlicher Gras- und Buschvegetation. Dort ist dann auch die Landschaft so eben, wie man sich die Pampas bei uns vorstellt! Ansonsten wechseln sich wellige, hügelige, bergige Gegenden ab. Manche Berge sind ganz eigenartig geformt, man denkt unmittelbar an Biskuitt, die aus ihrer Form in die Landschaft gestülpt wurden. Dazu passen auch die merkwürdigen Wolkenformationen, bei denen man an Stufentorten etc. erinnert wird.

Ortschaften sind selten, hin und wieder eine Estancia oder die eine oder andere einfache Hütte, das ist alles. Prägendes Element sind die (meistens Stacheldraht-)Zäune, die die Straßen links und rechts begrenzen: Schutz der riesigen Ländereien der Estancias, sicherlich auch der Verkehrsteilnehmer vor den auf diesen freilaufenden Viehherden. Was unangenehm auffällt ist die Tatsache, dass manche Flächen brutal abgegrast, überweidet sind, die Natur hat keine Chance, sich zu regenerieren.

Im Süden Patagoniens kann man entweder über Punta Arenas von Westen her oder von Rio Gallego am Atlantik nach Feuerland übersetzen. Ich habe die zweite Variante gewählt. Es ist wirklich Steppe, durch die man fährt, bis dann, ca. 130 - 150 km vor Ushuaia, die große Überraschung kommt: in der Ferne tauchen wieder die Schneegipfel der Anden auf und die Landschaft wechselt abrupt ihr Gesicht – wieder Berge, Seen und, vor allem, üppige Vegetation, auch wenn die Bäume oft windzerzaust sind.

Wege, Straßen und Verkehr

Wie das Landschaftsbild, aber unabhängig davon, wechseln auch die Straßenverhältnisse: die Ruta 40, auf der ich die meiste Zeit unterwegs war, hat alles zu bieten, was hiesige Straßen bieten können: von vorzüglichen Asphaltstrecken über knackige Baustellen-Abschnitte bis hin zu Schotterpassagen sehr unterschiedlicher Beschaffenheit. Manche der Schotterabschnitte, wie z.B. auf Feuerland, sind richtig fest und fast wie Teerstraßen zu befahren (wenn man vom Staub, den andere Fahrzeuge aufwirbeln, absieht), andere haben eine Schotterauflage, durch die meistens drei Fahrspuren gezogen sind, wo LKW und Busse und Jeeps den Split dazwischen aufgehäuft haben.

Bis auf die südlichsten Abschnitte ist das Verkehrsaufkommen so gering wie bisher immer in Südamerika. Was die Fahrerei, besonders für den Motorradler, meistens recht schwierig, manchmal gefährlich macht, ist der berühmt-berüchtigte patagonische Wind, der sehr oft in heftigen Böen daherkommt. Kommt er von hinten: ok., kommt er von vorn: widerlich, kommt er von der Seite: höchste Konzentration, sonst landet man im Gegenverkehr oder im Straßengraben. Eine Tagesetappe von 200, 250 km gerät dann zur Schwerarbeit.

Einmal wurde ich von einer Böe von ganz rechts nach links und fast in den Straßengraben getrieben, mit äußerster Mühe konnte ich die Maschine im tiefen Schotter knapp vor dem Straßengraben abfangen. Kurz darauf kamen mir drei Motorradler entgegen (eine Australierin, ein Schotte und ein deutsches Paar), der Deutsche war ca. 10 km zuvor tatsächlich im Straßengraben gelandet. Einmal wurde ich, wie in Australien, von einer Böe im Stand buchstäblich umgestoßen. Keine Chance, das Motorrad zu halten.

Auf einer der letzten Etappen nach Feuerland war ich nach knapp 200 km so mürbe, dass ich den geplanten Abstecher über ca. 110 km gegen den Wind zum Fitz-Roy-Massiv ausgelassen habe und direkt nach El Calafate gefahren bin. Das waren dann zwar auch noch mehr als 100 km, teilweise bei heftigem Seitenwind, aber auf neuer Asphaltdecke.

Aus den vielen Baustellen kann man schließen, dass in 3 - 5 Jahren keiner mehr verstehen kann, was die Ruta 40 als Reiseabenteuer bisher zu bieten hat.

Aufgrund meiner Erfahrungen hier ein ausdrücklicher Widerruf:

Nach der Durchquerung von Türkei, Iran und Afghanistan hatte ich geschrieben "vergesst die Stollenreifen" - das war falsch! Mir ist hier bewusst geworden, dass ich viele Passagen in diesen Ländern nur deshalb gut bewältigen konnte, weil ich Stollenreifen aufgezogen hatte. Man fährt zwar größtenteils auf guten Asphaltstraßen, auf den üblen Streckenabschnitten braucht man aber die Seitenführung und den Grib der Stollen. Also: lieber den etwas höheren Verschleiß der Stollenreifen akzeptieren, dafür aber in den entscheidenden Situationen deren Sicherheit genießen.

Tier und Mensch

Wie bisher auch sind die meisten Tiere, die man sieht, Schafe, Rinder und Pferde. Dazu kommen dann die wilden Tiere (oft große Herden von Guanacos, aber auch Nandus (der südamerikanische Strauß), Hasen, graue Füchse, Beuteltiere, natürlich auch fremdartige Vögel, Adler und Kondore). Ich war mehrfach in der Gefahr, mit Nandus zu kollidieren, die eine unangenehme Art haben, vom entfernteren Straßenrand vor das Motorrad zu rennen. Einmal hat eine Glucke ihre 10 - 12 Küken auf der Straße zurückgelassen und es war einfach nur Glück, dass ich keines der Tierchen überfahren habe.

Was sehr auffällt: die Vorstellungen über persönliche Hygiene weichen stark ab von unseren. Der Mate-Tee beispielsweise wird aus speziellen Tassen getrunken, in denen mittels heissen Wassers der reichlich eingeschüttete Mate immer wieder neu aufgebrüht wird. In der Tasse steckt ein Metallröhrchen mit Sieb am unteren Ende, mittels dessen man den Schluck Tee, der jeweils bereitsteht, einsaugt. Ist der Schluck genossen, wird die Tasse weitergereicht, es wird neu aufgebrüht und der nächste saugt, natürlich ohne das Röhrchen abzuputzen. Die Tasse macht die Runde, egal wie viele teilhaben. Ähnlich ist es mit Getränken: ein Glas Rotwein wird, wenn es auf dem Tisch abgestellt ist, ganz selbstverständlich von jedem gegriffen, der grade ankommt oder gegenüber sitzt. Ich habe mich diesen Sitten angepasst und bin bisher nicht erkrankt!

Hier im Sueden gibt es keine reinrassigen Indios mehr. Durch die Besiedlung durch Europäer wurden viele durch die eingeschleppten Krankheiten weggerafft. Um das Land komplett in Beschlag nehmen zu können, wurden die Überlebenden schlicht ausgerottet. Viele Landbesitzer haben sich Killer gehalten, die die Menschen einfach abgeknallt haben.

Umwelt

Keine neue Meldung: auch hier immer wieder Plastik in der Landschaft, selbst weit entfernt von jeglicher menschlichen Ansiedlung.

Persönliches

Hier gibt es zwei herausragende Ereignisse zu vermelden:

  1. Zum Einen das lange ersehnte Treffen mit Isolde und Karl Heinz, die meine letzten Gastgeber in Deutschland (Aicha vorm Wald) waren und bald nach meiner Abreise nach Kanada aufgebrochen sind, um von dort aus nach Südamerika zu reisen. Es war ein großer Moment für mich, auf Feuerland in den Campingplatz auf Tolhuin am Fagnano-See einzufahren und das Wohnmobil der Beiden zu sehen, wo Isolde ganz fassungslos nach Karl Heinz gerufen hat, weil sie mit meiner Ankunft noch nicht gerechnet hatten. Es waren 10 wundervolle Tage in Tolhuin und Ushuaia, bevor die Beiden aufgebrochen sind, um dem Wetter hier zu entgehen und im Norden mildere Temperaturen zu genießen.

  2. Nun der Aufenthalt in Ushuaia, am "Ende der Welt", am Beagle-Kanal, am südlichsten Punkt der Welt, den ich auf normalen Straßen mit meinem Motorrad erreichen kann - es ist ein weiterer Traum in Erfüllung gegangen.

Auch erfreulich: aus dem Internet habe ich die Information, dass einer im August 2006 sein BMW-Motorrad von Buenos Aires per Luftfracht nach Kapstadt transportieren lassen konnte fuer ganze 1.300 US-Dollar. Das wird zwar im neuen Jahr teurer sein, aber sicherlich immer noch günstiger, als ich zu hoffen wagte. Die Heimreise wird also, wie erhofft, durch Afrika führen.


REISE - ETAPPEN

Bariloche - 17.11. bis 20.11.06

Dem Enduro-Ausflug mit den Motorradlern aus Bariloche habe ich mit gemischen Gefühlen entgegengesehen - berechtigt! Das Treffen war auf 8.00 Uhr vereinbart, dann auf 9.00 Uhr verschoben, um 10.00 Uhr war dann Abfahrt. Tranquilo. Es waren 13 Fahrer, allerdings alle mit Pickup oder Anhänger, dereinzige, der die fast 100 km mit der Maschine gefahren ist, war ich. Es ging durch schöne Landschaften, an Seen vorbei und durch waldige Gebirgstäler nach Süden, nach ca. 80, 85 km in ein wunderschönes Seitental, in dem einige Enduropisten freigegeben sind. Die anderen hatten alle kleine, leichte Enduros, meine R100 war mit Abstand die schwerste Maschine.

Es gibt eine große Blockhütte, in der beim Eintreffen bereits die beiden Hälften eines frischgeschlachteten Hammels am Spieß vor einem offenen Feuer aufgebaut waren. Nachmittags gab's dann das in Argentinien unvermeidliche Asado, also den schonend gebratenen Hammel und dazu Salat und Rotwein und Brot. Köstlich. Vorher war aber Endurofahren angesagt, auf bergigen Pisten, für mich allerdings nur recht kurz: in einer engen, ausgewaschenen Rinne war ich schlicht zu schnell, die Maschine machte einen Satz über eine Querrille, stellte sich leicht quer - und schon lag ich. Leider hat dabei mein rechtes Handgelenk und der Unterarm etwas gelitten, sodass ich den Fahrtag mit einigem Frust beenden musste. Der Arm ist wieder in Ordnung, der Frust ist geblieben. Ein kleiner Trost war, dass ich endlich wieder mal auf kurvenreicher Strecke ohne Gepäck großes Fahrgefühl genießen konnte bei der Rückfahrt.

Ich hatte vorher in Bariloche die Reifen gewechselt, statt der bisherigen Pirelli Skorpion (gute Straßen-Enduroreifen) wurden jetzt vorn und hinten Metzeler Sahara 3 montiert - ich fühle mich nun ein wenig rehabilitiert für die beiden Desastertage in Bolivien: endlich habe ich wieder Grip und Seitenführung, die Fahrten über die Schotterpisten nach Süden waren mit diesen Reifen ungleich besser zu bewältigen als mit den vorigen.

Zurück in Bariloche waren alle Reparatur- und Wartungsarbeiten erledigt, es ging nur noch um das Fertigstellen und Aufladen des Gepäcks, nochmal ein ruhiger Tag vor dem Start Richtung Feuerland. Es war eine wichtige Zwischenstation:

  • neue Reifen,
  • Motorrad gewartet und geprüft, Ölwechsel usw.,
  • die Ledertaschen repariert,
  • das Zelt repariert,
  • ein Zusatz-Scheinwerfer angebaut,
  • der Lenker um 3 cm erhöht,
  • eine neue Geldbörse, am Gürtel zu tragen,
  • neues Tagebuch, neues Notizbuch.

Was mich stark beschäftigt hat, war die Frage, warum ich so große Bedenken hatte angesichts der bevorstehenden Schotterpisten. Ich war das alles schon gefahren, bin mit der K 100 RS über den damals noch schottrigen Gavia gefahren, mit der K 100 RT über den damals noch freien Tremalzo, von den diversen Enduro-Trainings und –Ausflügen ganz zu schweigen. Und nun das bange Gefühl vor Schotterpisten. Ich hatte das ängstliche Gefühl eines Anfängers, total verunsichert durch die "Erfahrungen" in Bolivien und beim Enduro-Ausflug. Ich habe versucht, mittels mentalen Trainings (locker, locker, locker) meine Verspannungen und Verkrampfungen zu lösen.

Vor El Bolsano bei Claudia und Klaus - Dienstag, 21.11.06

Claudia und Klaus muss ich kurz vorstellen:
Die beiden haben eine lange Weltreise gemacht und ihre Erlebnisse in dem Buch "Abgefahren. In 16 Jahren um die Welt" geschildert. Das Buch war/ist ein internationaler Bestseller und sehr zu empfehlen.
Es war für mich klar, dass ich da eine Zwischenstation einlegen wollte, allerdings wusste ich nicht, dass eine vorherige Anmeldung erwünscht ist. Trotzdem wurde ich ausnehmend freundlich und gastlich empfangen und willkommen geheißen.

Die beiden haben in einem Seitental ein größeres Stück Land erworben, das sie ausbauen möchten zu einem Domizil für geladene Gäste. Man fährt ca. 3 km über eine Schotterstraße, um dann in einem Tal anzukommen, das von einem kleinen Fluss durchströmt wird, umgeben von Bergen, die Schutz bieten vor den ansonsten recht heftigen Winden. Ich habe dort eine Nacht verbracht, das Zelt direkt neben dem rauschenden Fluss, war mittags und abends zum Essen eingeladen, es war einfach schön, sich mit Claudia und Klaus, ihren zwei kleinen Töchtern und vier jungen deutschen Helfern, die zur Zeit da sind, zu unterhalten. Der I-Punkt auf die gebotene Gastlichkeit war dann, dass ich für meinen Aufenthalt, das Essen, die Getränke nichts bezahlen durfte.

Der unangenehme Moment dort war beim Aufbau des Zelts: genau neben der Reparaturstelle wieder ein neues Loch im Zeltboden, ein zusätzliches am Zeltdach: das Material hatte das Ende seiner Lebenszeit erreicht. Ich musste für Ersatz sorgen.

Am Lago Futalaufquien - Mittwoch, 22.11.06

Morgens, vor dem Start, war erstmal Eile mit Weile angesagt: durch die Löcher war Feuchtigkeit ins Zelt eingedrungen, ich musste erst mal den Schlafsack und meine Klamotten in die Sonne hängen, bevor ich starten konnte. Nach dem gemeinsamen Frühstück, einem Foto der Familie, war Abfahrt.

Aufgrund der dringenden Empfehlung von Claudia und Klaus, den Nationalpark Los Alerces nicht zu versäumen, bin ich ca. 70 km südlich von El Bolson nach Westen, zu den Cordilleren hin, abgebogen. Was auffiel, war, dass viele Lupinen in unterschiedlichen Farben neben der Straße blühten, dafür war weniger Ginster zu sehen, darunter allerdings eine neue Sorte, die mir vorher nicht aufgefallen war, mit rot-gelben Blüten. Sehr schön.

Man fährt gut 100 km über Schotterpiste, durch gut erhaltene Urwaldstücke, vorbei an märchenhaften Seen und Flüssen, Einsprengsel von Farmen und Siedlungen. Die Fahrt endete am Südende des Lago Futalaufquien auf dem hübschen und sauberen Camping El Maiten.

Zur Fahrt selbst: ich hatte endlich wieder ein gutes Fahrgefühl, die neuen Reifen bewähren sich.

Alto Rio Sengguer - Donnerstag, 23.11.06

Von nun an hatte mich der patagonische Wind, oft mit Sturmstärke, fest im Griff. Um eine Vorstellung davon zu geben: an einem leichten Anstieg musste ich stoppen, vor mir wurde ein kleines Vogelküken vom Sturm über die Straße geblasen, sich ständig überschlagend, begleitet von den aufgeregt schreienden Eltern.

Der Wind wirbelt hochreichende Staubwolken auf, natürlich auch die anderen Fahrzeuge. Manche Fahrer halten an, wenn sie auf mich zukommen oder wenn ich überholen will, ansonsten sind die Begegnungen mehr als unangenehm.

Hier habe ich den angeblich vorhandenen Campingplatz nicht gefunden, dafür hat mich bei einem Wendemanöver wieder eine Windbö umgeworfen. Zwei Hotels hatten geschlossen, im dritten habe ich ein Zimmer zu unverschämtem Preis bekommen.

Die Fahrt wird gelegentlich aufgelockert, weil die Arbeiter an den Straßenbaustellen erfreut winken, wenn sie mich sehen. Auch die Landschaft bietet Abwechslung: an den Tümpeln und Teiche sind Flamingos, die etwas bunte Flecken in das Einerlei bringen.


Estancia Telken, südlich Puerito Moreno - Freitag, 24.11.06 bis 26.11.06

Die Estancia wurde mir zur Übernachtung empfohlen und der Weg hat sich gelohnt. Eine Farm mit "nur" 21.000 Hektar Grund, betrieben von einem netten älteren Paar holländischer Abstammung. Mein Zelt stand in einem hübschen kleinen Garten, neben einem Blockhaus, in dem ich Essen und Lesen konnte, windgeschützt. Ich bin drei Tage dageblieben, einer davon diente einem Ausflug zum Lago Buenos Aires bis Los Antiguos an der chilenischen Grenze. Grandiose Landschaften, herrliche Blicke auf die hohen Cordilleren, wunderbare Sichten über den tiefblauen See. Ich hatte meine Papiere in der Estancia vergessen, wurde aber an zwei Polizeikontrollen freundlich weitergewunken.

Tags darauf war technischer Dienst angesagt: Kontrollen der Schrauben und Muttern am Motorrad, was ich jetzt angesichts der Schotterstraßen regelmäßig mache (nicht zuletzt auf dringendes Anraten des erfahrenen Wüstenpiloten Herbert Worm!) Am Abend war dann großes Abendessen im Farmhaus mit 10 Gästen, einige als Freunde der Familie von weit her angereist. Es gab ein reichhaltiges Menue mit vielen Gängen, zubereitet von der Köchin des Hauses und serviert von zwei Helfern, die sonst in Haus und Hof arbeiten. Stilvoll.


El Calafate - Dienstag, 28.11.06 bis 1.12.06

Die beiden Fahrtage hierher waren die bisher schlimmsten in Patagonien: böiger Sturm, meist von vorn oder von der Seite, auf schottrigen Pisten. Es war mehr als mühselig, das Motorrad auf der Straße zu halten. Die letzte Nacht hatte ich auf einer weiteren Estancia, Angosturia, verbracht. Während Telken als Gästehaus eher klein-familiär gehalten ist, wird Angosturia auch von Reisegruppen in Bussen angefahren, die in Zelten, Gästezimmern und einem größeren Schlafsaal untergebracht werden. Es waren überwiegend Franzosen und Deutsche da, sodass auch für Gesprächsstoff gesorgt war. Einer der Franzosen sprach vorzüglich deutsch und war stark an meiner Reise interessiert.

Die Estancia liegt in einem hübschen Flusstal, hinter Hügeln und damit windgeschützt. Der Abend mit guter Verpflegung fand an Lagerfeuern und damit recht romantisch statt. Morgens musste ich, um zu tanken, einen Umweg von ca. 70 km fahren, nach Gobernador Gregores, dann wieder zurück auf die Ruta 40. Eigentlich wollte ich nach El Chalten, zum Fitz-Roy-Massiv fahren. Ich war aber durch den Sturm so mürbe, dass ich es vorgezogen habe, direkt nach El Calfate zu fahren. Den Fitz-Roy habe ich aus der Entfernung gesehen. Er ragte, von Wolken umgeben, beeindruckend aus der Landschaft auf.

Landschaftlich war insofern ein Änderung eingetreten, als die Teiche und Tümpel plötzlich intensiv gelb waren, während die Seen ein schönes Grün zeigten. El Calafate ist touristisch verseucht, überteuert, Schicki-micki, affig. Lokalkolorit existiert nicht.

Außer dem Ausflug zum Perito-Moreno-Gletscher hatte ich zu tun, meine Ausrüstung zu ergänzen bzw. zu erneuern: die wichtigsten Aktivitäten waren einmal die Beschaffung eines neuen Zelts (längere Suche, nichts wirklich Vernünftiges zu finden, das neue Zelt ist 2 - 3 Klassen unter dem alten), eine neue Schneid-/Essplatte (alte vom patagonischen Wind verweht) und Reparatur des Foto-Rucksacks (Träger hatte sich gelöst und der Reissverschluss klemmte).

Das neue Zelt hat mir beim Aufbau gleich gezeigt, was Sache ist: war es beim Vorgänger von VAUDE kein Problem, das Zelt auch bei heftigem Wind alleine aufzubauen, so ist das nun eher ein Ding der Unmöglichkeit. Es war wieder bitterkalt geworden, ich bin richtig froh um meinen guten Schlafsack, mit dem ich auch bei Minusgraden warm und wohlig schlafen kann.

Morgens dann der Start zum Gletscher-Nationalpark. Ich werde vom Zeltplatz abgeholt, einige andere werden auch noch eingesammelt, dann 80 km zum Park. Gleich der erste Anblick des Gletschers ist imposant. Eine lange, teilweise ueber 60 m hohe Eiswand muendet ins Wasser des Sees. Darüber eine breite Gletscherbahn, die weiter oben von mindestens drei, vier Strömen gespeist wird.

Der Gletscher legt jeden Tag ca. 2 m zurück, man hat also gute Chancen, das Kalben zu erleben, also das Abbrechen von kleinen oder großen Stücken. Bei meinem Besuch waren's nur kleinere Stücke. Es ist schwierig, davon Fotos einzufangen: die Gletscherfront ist etwa tausend Meter entfernt, der Knall des Losreisens kommt also meist erst beim Betrachter an, wenn der/die Brocken schon im Wasser aufschlagen. Von der Abrisskante zum Zentrum des Gletscherfelds sind es 14 Kilometer, es ist eine großartige Szenerie. Die Wolken verstärken den Eindruck.

In Calafate ist mir bewusst geworden, dass ich doch meine Familie, meine Freunde vermisse. Ich werde also meine Weiterreise von Ushuaia aus ohne Hektik, aber zügig nach Buenos Aires antreten, von dort nach Kapstadt/Südafrika organisieren, um dann (wohl auf der Ostseite) nach Norden, nach Deutschland heimzufahren. Von Ushuaia aus beginnt meine Heimreise. Vorher aber waren noch zwei Hoehepunkte angesagt:

- das Treffen mit Isolde und Karlheinz
- und, gemeinsam mit diesen, der Besuch von Ushuaia.

Sombrero/Feuerland - Samstag, 02.12.06

Um dem Winddruck zu entgehen, bin ich nicht die Südschleife der Ruta 40 ausgefahren, sondern habe die direkte Verbindung zwischen El Calafate und Rio Gallego im Atlantik gewählt. Das hatte den Vorteil, dass ich häufig Rückenwind hatte - und Asphaltstraße. Ursprünglich war das Treffen für Rio Gallego geplant, die beiden waren aber vor Sturm und Kälte nach Süden an den Lago Fagnano geflohen. Also folgte ich ihnen. Man muss dabei wieder ein Stück durch Chile fahren und mit der Fähre über die Maghellanstraße
übersetzen. Damit war ich auf Feuerland.

Weil ich keine Chance hatte, an diesem Tag noch in Tolhuin, dem neu definierten Treffpunkt, anzukommen, habe ich die Nacht in einem kleinen Hostal in dem weltbekannten Nest namens Sombrero verbracht. Für mich war es schon ein wichtiger Moment, Feuerland erreicht zu haben, also habe ich mir dann dem Abend ein gutes Essen gegönnt: Lachs mit Salat als Beilage, als Vorspeise ein kühles Bier und als Begleit Getränk einen guten Merlot. Hat gepasst.

Im Lokal lärmte der unvermeidliche Fernseher (in manchen Restaurants hängen gleich drei oder vier an der Wand!) mit dem lästigen Wechsel von Soaps, Shows, Werbung, wobei die Werbung überwiegt. Zum Abschluss hatte ich mir einen Kaffe bestellt. Was bekomme ich? Eine Tasse mit heißem Wasser, ein Tütchen Nescafé und zwei Tütchen Zucker. Milch war keine verfügbar. Auch auffällig: die Sonne verschwindet nicht vor 23.00 Uhr, ist aber um 4.30 Uhr schon wieder raus.

Tolhuin am Fagnano-See - Sonntag, 03.12.06 bis 08.12.06

Es war der erträumte Augenblick: nach einiger Suche biege ich in den Campingplatz HAIN ein, der Besitzer steht bereit und weist auf das Wohnmobil von Isolde und Karl Heinz. Isolde steht davor, ist erkennbar perplex und ruft Karl Heinz, sie hatten mich erst am nächsten Tag erwartet. Lange Umarmungen. Mein Zelt stand dann bald im Windschutz des WoMo. Der Platz liegt malerisch am Ufer des Fagnano-Sees, der sich in hübscher Hügel- und Berglandschaft mindestens 120, 130 km in Ost-West-Richtung bis nordwestlich von Ushuaia hinzieht.

Wir hatten fünf feine Urlaubstage mit Spaziergängen, Faulenzen, Gesprächen, Diskussionen, bevor es weiterging zur Estancia Haberton, der südlichsten Farm der Welt.

Bis Ushuaia - 09.12.06

Das Wetter am Fagnano-See war gemischt, zum Schluss kalt und regnerisch, also zogen wir weiter zur Estancia Haberton, keine lange Fahrt, nur ca. 85 km, Hälfte der Strecke Teer, danach wieder Schotter, aber gut zu fahren. Die Estancia liegt an einer Bucht des Beagle-Kanals in schöner Umgebung. Sie ist, mit den umliegenden Ländereien, ein Geschenk an einen Engländer, der sich um die Einheimischen verdient gemacht hat und wird heute von seinen Enkeln betrieben, lebt aber, wie viele Farmen, mehr vom Tourismus als von der Viehhaltung. Es gibt ein Cafè, ein Restaurant und ein gut gemachtes Maritim-Museum. Leider war uns der Wettergott auch hier nicht wohlgesonnen, Kalter Wind und Regen. Nach der Besichtigung der Farm und der Umgebung unter Führung einer gut englisch sprechenden jungen Frau entschlossen wir uns, trotz des üblen Wetters nahebei zu campieren.

Leider hielt mein Motorrad das für keine gute Idee: es wollte einfach nicht mehr anspringen. Anschieben und Anschlepp-Versuche endeten mit zwei Umfallern, einmal rechts, einmal links, der Motor rührte sich nicht. Ein Mann in den Vierzigern und fünf oder sechs jüngere Männer hatten das Malheur vom Restaurant aus gesehen und kamen angerannt mit dem Ergebnis, dass wir das Motorrad auf einen Pickup verladen konnten, um nach Ushuaia zu kommen. Dort wurde unter Hilfe eines einheimischen BMW-Fahrers direkt eine Werkstatt angefahren, deren Eigner BMW-Erfahrung hat. Besonders zu vermerken ist, dass der Mann, der das Motorrad hierher transportiert hat, wie seine Helfer auch, jegliche Bezahlung abgelehnt haben. Isolde hat ihnen dann zwei CDs mit deutschen Volksliedern geschenkt, was freudig angenommen wurde.

Der Schaden war nicht so groß, aber ärgerlich: die in Sydney bei BMW vier Monate zuvor neu eingebaute Batterie hatte ihren Geist aufgegeben. Nach drei Tagen war ein Austausch beschafft und eingebaut. Ein Einheimischer hatte seine noch nicht lange gefahrene Batterie zur Verfügung gestellt.

Wir haben uns auf einem netten Campingplatz einquartiert, etwas oberhalb der Stadt mit tollem Blick auf diese und den gleich dahinter liegenden Beagle-Kanal sowie die dahinter aufragende Kette der Anden, nur 1000 bis 1500 Meter hoch, aber schneebedeckt, wie das im Sommer so üblich ist.

Das Wetter wechselt hier schneller als die Frauen ihr Makeup: nicht nur von Tag zu Tag, sondern häufig von Stunde zu Stunde. Sonne, Regen, Wind, angenehm warm, kalt. Auf den Bergen liegt immer wieder Neuschnee, nachts sind die Temperaturen meist in der Nähe des Nullpunkts. Letzte Nacht hat, bei heftigen Schauern, ein Sturm an meinem Zelt gezerrt, dass ich Sorgen hatte, ob das zarte Teil den Belastungen standhaelt. Es hat, glücklicherweise.

Leider hat das kalte Wetter bei Karl Heinz, ein bisschen wohl auch bei Isolde, den Drang nach Norden, in wärmere Regionen, ausgelöst. Wir hatten schöne Tage gemeinsam, unter anderem auch dank der Tatsache, dass Karl Heinz und ich eher stillschweigend zu der Übereinkunft kamen, dass wir keine Übereinstimmung in unseren Diskussionen (die ohnehin für Isolde nervend waren) erreichen. Nach einem genussvollen Asado im Restaurant, von mir als Skistüberl deklariert, sind wir noch gemeinsam in den naheliegenden Nationalpark, ans Ende der Ruta 3 gefahren, wo die Beiden noch zwei Tage geblieben sind. Ich fuhr, nach kurzer und herzlicher Verabschiedung, wieder hierher zum Campingplatz. Der Abschied von den Beiden hat in mir ein kleines Tief ausgelöst, eine Lücke hinterlassen.

Da meine neue VISA-Karte per Post hierher unterwegs ist, bin ich gezwungen, noch abzuwarten. Eigentlich ist der Drang, weiterzufahren, recht stark, aber ohne neue Kreditkarte will ich nicht unterwegs sein. Nun ist Weihnachten vorbei, ich sehe mich schon den Jahreswechsel hier verbringen. Wie auch immer, ich beende hier meinen zweiten Argentinien-Bericht, einige Anmerkungen zu Ushuaia schiebe ich auf, um sie dann im wohl abschließenden Argentinienbericht 3 zu bringen.


>> Weiter zu:  Argentinien Teil 3

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