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Auf Auf- und Abwegen in Südnorwegen


   

Eine Rad- und Kletterstory von Simone Loy und Ralf Neumann.

Kristiansand, wir haben´s geschafft und stehen mit 100 unbekannten Radkollegen noch im Inneren der Fähre und warten darauf in die Nacht ausgespuckt zu werden. Ca. 25 Stunden Zugfahrt mit nur wenigen Unterbrechungen (1x Kopenhagen, 1x Hirtshals) und die dreistündige Überfahrt von Hirtshals nach Kristiansand verlangen mir und meiner Freundin Simone viel Geduld und vor allem viel Sitzfleisch ab.

Die Gedanken an daheim sind wie weggeblasen und wir freuen uns auf vier Wochen Abenteuer pur, die nun vor uns liegen. Neue Mountenbikes, ein Monoporter Anhänger, Satteltaschen und Rucksäcke werden uns die nächste Zeit in Norge begleiten. Kletterseile, Karabiner, Expressen, Kocher, Zelt, Schlafsäcke, Isomatten und und und... Im Zug haben wir mal kurz hochgerechnet, ungefähr 100 Kilogramm müssen möglichst gerecht auf den Bikes verteilt werden.

Zurück zu Kristiansand. Um 11.00 Uhr nachts starten wir unsere ersten Manöver mit dem gesamten Equipment. Zuhause hat es dafür zeitlich nicht mehr gereicht und wir sind sehr gespannt darauf, ob alles funktioniert. Mit einem breiten Grinsen treten wir in die Pedale und kommen ganz gut voran. Der einzige Gedanke der uns heute noch im Kopf kreist ist, ein ruhiges Plätzchen zu finden, um endlich nach dieser unbequemen und unsäglich langen Zugfahrt mal wieder richtig schön ausgestreckt zu knacken. Wir finden eine frisch gemähte Wiese in der Nähe eines Hofes. Wie das mit dem Jedermannsrecht so wirklich läuft, interessiert uns in unserem Zustand nicht mehr. Nachdem das Zelt aufgebaut ist sinken wir in den wohlverdienten Schlaf.

Am nächsten Morgen begrüßt uns der Hofbesitzer mit der netten Aufforderung innerhalb einer halben Stunde zu verschwinden, sonst ruft er die Polizei. Schnell packen wir unsere sieben Sachen und leiten unseren ersten richtigen Norwegentag ein. Ziel war es Evje zu erreichen. Die Ortschaft liegt ungefähr 60 Kilomter nördlich im Landesinneren, der Weg führt uns immer an der Otra entlang. Tolle Wege, wunderschöne kleine Straßen und zahlreiche Seen lassen unsere Herzen schneller schlagen. Die Routenwahl ist gar nicht so einfach, das Gewicht unserer mitgeschleppten Sachen auch nicht, und so finden wir gegen fünf Uhr abends eine schönes Plätzchen am Fluß, ca. 15 Kilomter von Evje entfernt.

landschaft

Vier Tage nach unserem Aufbruch aus Kristiansand erreichen wir endlich das lang herbeigesehnte Valle im Setesdal. Einen Tag mussten wir komplett die Segel streichen, da ein 24 stündiger Dauerregen auf unser Zelt hämmerte. Der Weg am Westufer der Otra entlang und in Richtung R9 ist sehr empfehlenswert. Tolle Aussichtsplätze, schmackhafte Blaubären und das ständige Auf und Ab der Straße bringt viel Abwechslung. Die Otra schlängelt sich jetzt durch Schluchten und sieht zunehmend gefährlicher aus. Auch die Berge um uns herum ändern ihr Erscheinungsbild. Plattige und enorm hohe Wandfluchten schälen sich aus den Nadelwäldern. Wir sind von der Landschaft fasziniert. Der Ort Valle liegt in einem kleinen Kessel. Drum herum sieht man nur Felswände. Der Wetter-bericht lässt allerdings zunächst nur wenig Hoffnung übrig nun endlich mal klettern gehen zu können. Wir mieten uns in eine kleine aber extrem komfortable Hütte ein, da es die nächsten drei Tage kalt und nass werden soll. Glücklich über den neuerworbenen Luxus schliefen wir schon sehr früh ein.

Leider wurde unser Kletterdrang von dem unbeständigen Wetter immer wieder stark abgebremst. So verbrachten wir insgesamt sechs Nächte in der kleinen Hütte (dafür zahlten wir zusammen nur 1600 NOK), aber zwei große Klettertouren gingen sich in dieser Zeit doch noch aus. Ein Deutscher, Hans Weninger, hat in jahrelanger Arbeit einen Kletterführer (Topo) vom Feinsten heraus-gebracht. In erster Linie kann man im Setesdal etwas für das Vertrauen auf die eigenen Füße tun. Plattenklettereien und nur leider relativ wenig Abwechslung mit Riss- und Verschneidungskletterpassagen herrschen hier vor. Die Seillängen werden fast durchgehend voll ausgegangen, d.h. ein 60 Meter Seil ist Pflicht. Die Standplätze sind bei den meisten Touren vorbildlich mit stabilen Ringhaken versehen, allerdings findet man in diesem Gebiet auch zahlreiche Clean Touren, auch in den oberen Schwierigkeitsgraden. Wir haben uns dort im 5. bis oberen 6. Grad bewegt und zunächst langsam an diese Platten gewöhnt.



Highlight war für uns sicherlich die Kletterei in der 400 Meterwand von Kalvehei. Der Blick von oben auf die golden schimmernde Otra und das sagenhaft idyllisch gelegene Valle war eine satte Belohnung für die ausdauernden Plattenspaziergänge. Durch die zahlreichen Zwangspausen, die uns der Regen immer wieder auferlegte, konnten wir unsere weitere Routenplanung in Ruhe ausarbeiten. Letztlich kristallisierte sich die verrückte Idee heraus, mit den Rädern über den Lysefjord nach Stavanger und anschließend die komplette Küste Südnorwegens entlang zu radeln.

Fünf Tage später hocken wir - nach vier Nächten zumeist in der Pampas - wieder in einer Hütte, diesmal in Brusand an der Nordsee! Dazwischen ist so einiges passiert. Mittwoch sind wir vom Setesdal in Richtung Lysebotn gestartet. Gut dass wir nicht genau wussten was auf uns zukommt. Zwei Pässe mit einer Passhöhe von knapp 1000 Höhenmetern, unendliche Weiten und Berglandschaften, wie wir sie bei uns in Bayern nicht kennen, sind ganz, ganz langsam an uns vorbei gezogen. Die Tageskilometerzahl dürfte so bei 35 Kilometern liegen. Das Wetter war bis zum Erreichen des Lysefjordes ein Traum. Auch die Abfahrt von der letzten Passhöhe (vorbei am Kjerag Aussichtspunkt) in dieses abgelegene Tal hinein ist phantastisch! Urzeitliche Gletscher frästen hier eine 40 Kilomter lange Schneise mit fast 1000 m hohen Felswänden ins Land. Die Weiterreise ist hier nur mit der Fähre 330 NOK möglich.

die wand

Anscheinend stehen die Fährkapitäne bei gutem Wetter in ständigen Kontakt mit den Basejumpern. Wir durften während der Überfahrt nach Forsand, quasi aus erster Reihe und hautnah, dieses Spektakel anschauen. Allein vom Zusehen schon gefriert einem das Blut in den Adern. Sechs Springer waren zu sehen, zwei davon mit "Wings", die bis in die Mitte des Fjordes geflogen kamen. WOW!

Kurz vor der Anlegestelle in Forsand konnten wir den Preikestolen bewundern. Dieses riesige Hochplateau stürzt jäh senkrecht 650 Meter in den Fjord hinab. Für einen Besuch auf die Aussichtskanzel hat das Wetter in unserem Fall nicht mitgespielt. Noch eine kurze Anmerkung zur passenden Auswahl von möglichst wildromantischen Schlaflagern. Nächtigen sie niemals, wirklich niemals auf einem Felsplateau in dessen Umkreis feuchtes Heidekraut wächst. Die Anzahl der Sandfliegen, die sich um und auf uns sammelten, ging in die 10.000!!! Von Oanes aus, hier muss man zwei beleuchtete Tunnels durchradeln, sind wir nochmal mit der Fähre nach Lavvik (70 NOK) übergesetzt. Eigentlich wollten wir direkt mit dem Schiff in Stavanger einlaufen, allerdings ging am Samstag nur noch spät am Abend eine Fähre. Also hieß es wieder mal kräftig in die Pedale treten.

Der Weg vom Vorort Sandnes in die Stadt Stavanger war wie ein Irrgarten. Schlechte Beschilderungen für Radfahrer, gesperrte Wege und Straßen und, und, und. Nach der Sandfliegen-Geschichte fühlten wir uns wie frisch aus der Mülltonne gezogen und hatten nur ein klares Ziel vor Augen: Eine heiße Dusche und Wäsche waschen. Auf dem Campingplatz in Mosvangen, mitten in Stavanger an einem See gelegen, war das kein Problem und obendrein gab es ein gratis Open Air Konzert von einer Band namens "Godheit". Mit Mütze und Jäckchen war´s in den Abendstunden ganz gut auszuhalten, die Norweger sind übrigens nicht so die lockeren Partyhengste sondern genießen eher ruhig, selbst bei einem Rockkonzert.

Stavanger zu verlassen war einfacher als gedacht. Schon bald fuhren wir an der Nordseeküste entlang. Ein komplett anderes Landschaftsbild, sehr flach und windig. Der Wind änderte immer mehr seine Richtung, wurde zum Rückenwind und so flogen wir förmlich nach Brusand. Eisigkalte Füße ließen nur einen einzigen Gedanken zu: Nach sieben Stunden Radfahren, endlich eine Hütte mieten zu können, um wieder einmal unsere durchnässten Sachen zu trocknen. Die Hüttenwahl macht sich mehr als nur bezahlt. Vormittags öffnet der Himmel mal wieder alle Schleusen und wir sind heilfroh ein Dach über dem Kopf zu haben. Mittags klart es auf und wir machen uns mit trockenen Sachen (das Zelt hatten wir über Nacht in der Hütte aufgestellt) auf den Weg nach Egersund.

Im weiteren Verlauf gestaltete sich unsere Nordseeroute, ein ausgeschriebener Radwanderweg, zu einem äußerst kräftezehrenden Unterfangen. War doch die Streckenführung bis Brusand eher flach, so wurde es jetzt zunehmend bergiger. Über Egersund, Rekeland und Flekkefjord geht es nach Farsund. Die kleinen, sehr idyllisch gelegenen Ortschaften liegen wunderschön eingebettet in den geschützten Buchten der Fjorde. Farbige und sehr gepflegte kleine Holzhäuser, das satte Grün der Wiesen und Wälder und das tiefblaue Wasser der Seen sind eine reine Augenweide.

Kurz noch eine Bemerkung zu den Fjorden aus Sicht der Radfahrer: Wir hatten oft das Gefühl in ihnen wie Gefangene festzusitzen. Es ist vielleicht vergleichbar mit dem berühmten Hamster im Laufrad. Man fährt 200 Höhenmeter den Berg rauf, um kurz darauf die schwer erkämpfte Höhe wieder zu verlieren und so beginnt das ganze Spiel von vorne. Das kann sich ganz schön ziehen. Die Kräfte schwinden und wir geben unseren Gepäckstücken mittlerweile sogar Namen. Simone spricht bei den schwierigen Anstiegen mit ihren "Boms", den Satteltaschen. Ich schimpfe wütend mit meinem "Fifi", dem Anhänger, der partout nicht den Berg hinauf, sondern viel lieber hinunterfahren möchte. Ein kleiner Abstecher führt uns noch an dem bekannten Sogndalstrand vorbei. Ein wunderschönes, kleines Örtchen mit einem netten Hotel und zahlreichen kleinen und gemütlichen Cafés. Überhaupt hat dieser Küstenabschnitt sehr vieles zu bieten. Einsame und sehr saubere Sandbuchten, nette Städte (Mandal) und Campingplätze, die direkt am Meer liegen. In Kristiansand endet unsere Tour und wir machen uns Gedanken über das Erlebte.

Oft werden wir gefragt warum wir diese Reisestrapazen freiwillig auf uns nehmen. Worin besteht der Reiz so etwas zu machen? Es ist die Langsamkeit des sich Fortbewegens und die innere Ruhe die damit einkehren kann, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist. Landschaft und Eindrücke bleiben einfach länger haften. Wir nehmen mehr wahr und spüren die Natur hautnah. Auch das Wetter spielt keine Neben-, sondern eine Hauptrolle! Unglaublich wie wir uns nach einer regnerischen und kaltfeuchten Nacht über die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des neuen Tages freuen konnten. Letzter spannender Aspekt und hier liegt vielleicht auch die grenzenlose Freiheit und der Abenteuergeist begründet: Man weiß nie wo das nächste Nachtlager aufgeschlagen wird, wie gut das Vorankommen gelingt und welche großen und kleinen Ereignisse auf der jeweiligen Etappe erfahren und durchlebt werden. Norwegen ist kein einfaches Land. Das Klima und die Menschen sind härter als in den südlichen Regionen. Das Wetter kann gerade in Küstennähe binnen weniger Minuten komplett umschlagen. Scheint erst noch die Sonne, wird es plötzlich windig und platzartige Regenschauer setzen ein.

Die Menschen, die dort leben sind sehr freundlich und hilfsbereit. Allerdings hat man das Gefühl, daß jeder einfach sein Ding macht und die meisten sehr zurückgezogen leben. Wir durften nur einen kleinen Ausschnitt von einem wunderbaren Land kennenlernen, wissen aber, dass diese einzigartige Natur und das Outdoor-Leben uns immer wieder in derartige Gegenden führen werden.

Über unsere Ausrüstung:

 
bike
tasche Räder von
Additive-Bikes

Spezial Tasche im Rahmen integriert, für den Transport unser Kletter Hardware (Friends, Expressen, Keile) hervorragend geeignet.

anhaenger Fahrrad-Anhänger
von der Firma Weber

Monoporter Anhänger, äußerst stabile Kupplung, die auch mehr als 25 Kilo aushält. Gut durchdachtes System, Tasche absolut wasserdicht - konnten wir im verregneten Norwegen sehr gut brauchen. Mehr über den Monoporter Anhänger unter www.weber-products.de
 
 
 
   
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