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Tourentipp Corbieren

Schotterspass in Südfrankreich

Eines der letzten Enduroreviere Europas liegt versteckt im Süden Frankreichs und gilt als Geheimtipp unter Endurofahrern
. Als der gesamte Mittelmeerraum fest in der Hand Roms war, beschenkte der römische Kaiser alternde, verdiente Legionären mit einem Stück Land, um Ruhe, Ordnung und römisches Kulturgut in die besetzte Region zu bringen. Legionäre trifft man heute hier nicht mehr an und wenn, dann sind sie gut getarnt auf einer Enduro unterwegs, so wie Helle, Locke und ich. Wir haben uns extra eine Woche Urlaub genommen, um dieses Enduroparadies zu erkunden.

Langsam rollen wir durch Moux. In diesem kleinen Nest an der D 111 zwischen Lèzignan und Capendu sind Motorradfahrer nichts Besonderes, denn seit vielen Jahren dient ein altes Anwesen inmitten der Weinberge als Basislager für Corbières-Reisende. Liebevoll renoviert und voll auf die Bedürfnisse von Zweiradfahrern eingerichtet, bietet das "Maison de Clauzes" für jeden etwas, vom Zeltplatz übers Doppelzimmer bis hin zur Honey-Moon-Suite. Eine Garage fürs Moped, inklusive Wasch- und Schrauberplatz, ist auch vorhanden. Abends, wenn die Sonne den Innenhof in ein warmes Licht taucht, trifft man sich hier zum Benzingespräch und tauscht Tourentipps aus. Das Gefühl von „Leben wie Gott in Frankreich“ stellt sich als krönender Abschluss eines Tages spätestens dann ein, sobald die Weine der Dorfwinzer auf den Tisch kommen.

Kies knirscht unter den Sohlen unserer Stiefel auf dem Weg zur Garage. Wir sind schon sehr früh aufgestanden und wollen heute den Hausberg von Moux, den 600 Meter hohen d´Alaric bezwingen. Kurz nach der Autobahn-unterführung der A 61, die Narbonne mit Toulouse verbindet, geht es steil bergan. Erst flickenhaft asphaltiert, dann fein geschottert, windet sich der Weg in die Höhe. Ab der Hälfte der Strecke wird der rote Schotter immer grober und die Enduros tanzen wild mit durchdrehenden Hinterrädern.

Oben am Berg bläst der Wind ohne Unterlass und treibt die wenigen Wolken Richtung Meer. Wir genießen für ein paar Minuten den tiefblauen Himmel und die Abgeschiedenheit der Gegend. Zwei französische Gendarmen, die sich auch hier oben aufhalten, bewundern unsere schweren Zweizylinder-Enduros und winken uns zu, als wir wieder losfahren. Den ersten Kilometer unserer Talfahrt bleiben wir auf dier Hauptpiste und biegen dann links in einen schwer erkennbaren und kaum zweispurigen Weg. Die Piste wird holpriger und immer steiler. In Comigne merken wir, dass wir den falschen Weg genommen haben. Wir wollten ja nach Réquy. Also drehen wir wieder um und passieren so einen kleinen Sattel, um nach Réquy zu gelangen. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis Monze. Auf unserer Michelinkarte erkennen wir den Wanderweg GR 36, der zum Chateáu de Miramont führen muss. Anfangs breit geschottert verliert sich der Weg bald zwischen den Büschen. Wenige hundert Metern weiter dann die Herausforderung: Fußballgroße, lose Steine und ein Weg, der gerade mal lenkerbreit ist, machen das Vorankommen zur Tortur. Immer wieder muss ich fußeln. Der schwere Boxer schiebt über das Vorderrad und ich schlingere mehr als ich fahre. Nach 500 Metern gebe ich auf. Helle und Locke ahnten wohl, dass es eng wird und sind vorsichtshalber zu Fuß hinter mir hergelaufen. Gut so. Gemeinsam wuchten wir die HPN herum, was alleine unmöglich gewesen wäre und es geht die vollen 500 Meter wieder zurück. Langsam rollen wir nach Monze und Rèquy, bis wir den Einstieg zum GR 36 finden. Der Wanderweg lässt sich flüssig mit unseren Dickschiffen befahren und bald stehen wir vor einer beeindruckenden Felsenkulisse, die an alte Winnetoufilme erinnert.

Laut GPS, müsste der Weg jetzt nach Westen führen. Doch wir erkennen nur einen Singletrail der sich zwischen Büschen und Bäumen durchschlängelt. Irgendwie ist uns das nicht geheuer, stellen die Boxer ab und halten Kriegsrat. Plötzlich durchbricht dumpfer Viertaktklang die Stille. Drei orangefarbige Hardenduros der Marke aus Mattighofen fliegen den Weg herauf und bleiben vor uns stehen. Hochrot vor Anstrengung sind die Köpfe der Fahrer, als sie ihre Helme abziehen und zu diskutieren beginnen. Wir, immer noch unsicher, ob wir auf dem richtigen Weg sind, wollen wissen, wie der Weg denn so ist, auf dem sie gekommen sind. Sie mustern uns kritisch und meinen: der Weg ist fahrbar. Als wir dann mit unseren Boxern um die Ecke rollen, bekommen sie etwas große Augen. Offensichtlich dachten sie, dass wir mit leichterem Gerät unterwegs sind. Doch für neue Anweisungen ist es zu spät. Wir sind schon weg und stürzen uns regelrecht auf einem knapp halben Meter breiten Pfad über Steilstufen und fiesem Wurzelwerk hinunter. Die Ölwannen knirschen auf dem harten Fels und die Zylinder der verfangen sich ständig im Geäst. Ich reiße mir dabei ein Zündkerzenkabel ab und muss des öfteren auf Hilfe warten, um meine wild gewordene HPN aus dem Hang zu bergen.

Der Trip endet dann unspektakulär in einem Weinberg oberhalb von Rèquy. Nach einer kleinen Verschnaufpause finden wir am Ortsausgang eine schöne Piste, die zum Chateáu de Miramont hoch führt. Der Blick von oben ins Audetal wird dann zur Belohnung für alle Anstrengungen des Tages.

Am nächsten Morgen. Die ersten Geschäfte in Fontcouverte und Feralls öffnen. Ratternd heben sich Rollläden, quietschend werden Scherengitter zur Seite geschoben. Kaufleute fahren schattenspendende Markisen aus, frisches Obst und Gemüse findet seinen Platz in der Auslage vor der Türe. Zeit, Reiseproviant zu fassen. Knuspriges Stangenweißbrot, Gänseleberpastete, Melone und Mineralwasser wandern in unsere Rücksäcke.
Ein wahres weitverzweigtes Enduroparadies ist der "Bois de la Pinède". Am gleichnamigen Campingplatz "Camping de Pineta" finden wir auch gleich den Einstieg. Eine Spielwiese für Endurofahrer. Breite Pisten, über die wir mit über 100 km/h brettern, oder knifflige Steilauffahrten wechseln sich ständig ab. Und immer wieder geben kahle Höhenzüge den Blick auf das Vorland der Pyrenäen frei. Im östlichen Teil des "Bois de la Pinède" ist die Vegetation Bränden zum Opfer gefallen, und es stehen nur noch verkohlte Reste ehemaliger Bäume und Sträucher.

Wer als Endurofahrer zum Meer will, den führt der Weg von hier aus unweigerlich durch den "Bois de Vicomte". Bei le Coude finden wir schnell den richtigen Weg. Wir halten uns auf der breiten gewalzten Schotterpiste mit der Markierung F1. Vor Peyriac-de-Mer durchqueren wir weitläufige Weinberge. Nach dem obligatorischen Cafè au lait umrunden wir auf brettharten Naturwegen die kleine Landzunge und beobachten dabei Scharen von Flamingos, die regungslos im Wasser stehen.

Kultur heißt das Stichwort für unseren letzten Fahrtag im dünnst besiedelten Gebiet Frankreichs.
Die ehemalige Hauptstadt der Corbiéres, Lagrasse, liegt weitab jeglicher Touristenströme südöstlich des mittelalterlichen Carcassonne. Die alte Bausubstanz ist noch nahezu vollständig erhalten. Gut erhaltene Bürgerhäuser, die aus dem frühen 14. Jahrhundert stammende Markthalle, die steinerne Brücke Pont Vieux, die Stadtmauer und nicht zuletzt die Abtei Sainte-Marie d'Orbieu - das alles erscheint wie aus dem Bilderbuch entsprungen und macht das Dorf im Val d'Orbieu zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs.

Hinter der Abtei zweigt unspektakulär ein kleiner Schotterweg nach rechts ab. Die Hauptpiste, die sich später teilt, bringt uns zu der kleinen Wallfahrtskapelle „Notre Dame de Carla“. Nur schwer finden wir den richtigen Einstieg, um wieder ins Tal zu gelangen. Zwei Wanderinnen, die mitten auf dem Wanderweg GR 36b ein Picknick machen, erklären uns, dass der Weg weiter fahrbar wäre. Doch allzu gerne vertrauen wir den Angaben der Einheimischen nicht mehr. Auf Grund mangelnder Alternative wagen wir es dann doch. Nur eine Engstelle zwischen einem Fels und einem Baum lässt die ausladenden Zylinder kurz einmal Feinkontakt haben.

In St. Pierre de Champs erwartet uns Natur pur. Durch Felder mit blauen Blumen schlängelt sich die Piste hoch zur "Tour de Haute Corbières". Die Rundtour durch die urwüchsige Berglandschaft endet erst kurz vor Vigneville, wo wir dazu passend in einer urigen Auberge eine deftiges Mahl einnehmen.

Frisch gestärkt rollen wir zum Abschluss unserer Exkursion durch die Corbieren gemütlich zurück nach Moux. Das kleine Asphaltbändchen über den Col de la Louvièra liefert uns einen unbeschreiblichen Kurvenspaß. Wir begegnen dabei keinem anderen Verkehrteilnehmer. Es gibt sie also doch noch, Gegenden, in denen Endurofahrer auf ihre Kosten kommen.


Text und Fotos: Timo Rokitta

Die Region von oben:



Guide Corbières

info

ALLGEMEINE Der Landstrich der Corbieren in Südfrankreich gilt als das Land der Katharer. In dünn besiedelten Gebiet bieten grandiose Landschaften herrliche Kontraste voller Überraschungen. Von kahlen Bergrücken blickt man gen Westen bis ans Mittelmeer, dessen weite Strände zum Baden einladen. Felsiges und verbranntes Land grenzt an die Ausläufer der Pyrenäen. Der Norden bietet die dunklen Wälder der Montagne Noire mit zahlreichen Seen und Wasserläufen. Im Osten bilden die Schluchten der noch jungen Aude ein natürliches Hindernis.

flug ANREISE Ganz bequem per Autoreisezug bis nach Narbonne. Informationen täglich von 8.00 bis 22.00 Uhr unter 0180/5241224 oder rund um die Uhr im Internet: www.dbautozug.de”. Wer Zeit hat, nutzt die attraktive Route Basel-Gotthard-Rhonetal-Französische Hochalpen-Rhonealpen-Avignon-Montpellier.
REISEZEIT Klima: Frühling und Herbst bieten milde Temperaturen, im Sommer ist es in der Endurokluft kaum auszuhalten. Selbst im Winter kann in den Corbieren das Motorradfahren Spaß machen. Zur Weinlese ist jedes Dorf auf den Beinen.
UNTERKUNFT Maison Las Clauzes, F-11700 Moux, Einrichtungen: Zeltplatz / Einfachquartiere mit Doppelstockbetten mit Du/WC / Doppelzimmer mit Du/WC / Ferienwohnung, 2 Zimmer, rollstuhlgerecht. Garage, Schrauberplatz, Waschgelegenheit. Leihmotorräder. Trial-Lehrgänge mit dem französischen Ex-Champion, Enduro-Wander-Wochen, Biker-Weihnachten. Anmeldung unbedingt erforderlich!
literatur KARTEN LITERATURDirk Schäfer „Lust auf Pyrenäen”. 10 ausgesuchte Motorradtouren durch die Pyrenäen und das angrenzende Vorland. 100 Seiten, stimmungsvolle Farbfotos, zahlreiche Karten, Übernachtungstipps und jede Menge Informationen. Highlights-Verlag, ISBN 3-933385-18-0. 11 Euro.
Michelin Midi-Pyrénées Nr. 235 Maßstab 1.200000


 


   
 
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