Ab jetzt waren wir also auf uns alleine gestellt. Von Weitem sahen wir, auf einer kleinen Kuppe, drei kleine Hütten aus Gras. Die wollten wir noch erreichen, bevor es dunkel wurde. Die sehr schön gearbeiteten Hütten waren nach vorne offen. Wir warfen unsere Rucksäcke mit der gesamten Ausrüstung in eine Ecke, rollten unsere Schlafsäcke aus und bereiteten uns noch vor dem Schlafengehen im Schein unserer Stirnlampen einen heißen Tee.

Am nächsten Morgen brachen wir früh auf, ließen aber die Hälfte unserer Ausrüstung zurück, in dieser Höhe wäre die Last unseres gesamten Equipments einfach zu viel für uns. Wir werden weiter oben ein Basislager einrichten. Die heutige Etappe werden wir also zweimal gehen und das zurückgelassene Gepäck nachholen.

Der Boden, der bisher durch Moose und Flechten zusammengehalten wurde, veränderte sich, wurde lockerer. Je höher wir kamen, desto loser wurde dieser Vulkanboden und erschwerte das Gehen. Ein großer Felsbrocken vor uns diente als Orientierungspunkt, am liebsten hätten wir uns dorthin gebeamt. Dort angekommen konnten wir schon die einzelnen Gletscherzungen des Cotopaxi gut erkennen und wir sahen einen kleinen blauen Punkt kurz vor dem Gletscher. War dies ein bestehendes Basislager? Das werden wir wohl erst viel später erfahren. Inzwischen stapften wir durch feinsten Vulkanstaub, in den wir bei jedem Schritt einsanken. Noch ein letzter Anstieg für heute bis zur Felsgruppe vor uns, dort werden wir unser Material lagern und dann wieder zurück zu den Grashütten gehen und das restliche Equipment nachholen. Mit leeren Rucksäcken auf den Rücken und bergab waren wir beschwingt und flott unterwegs. Vulkanstaub umwirbelte unsere Beine.

Wir verbrachten eine zweite Nacht in der windgeschützten Hütte, bevor es wieder an "Wir schleppen unsere Ausrüstung den Berg hoch" ging. Das Wetter hielt, nur gegen Mittag stiegen bildeten sich große Wolken, leider verdeckten sie nicht ganz die Sonne. Der Schweiß lief uns aus allen Poren. Als wir endlich unser Zwischenlager erreichten, trennte uns nur noch ein letzter langer Anstieg von der Stelle, an der wir unser Basislager errichten wollten. Allerdings hatten wir uns vorgenommen, jetzt die gesamte Ausrüstung dorthin zu bringen. Irgendwie fühlten wir uns wie auf einem anderen Planeten. Kein Strauch, keine Pflanze wuchs mehr im losen Vulkanstaub.

Wir zählten jeden einzelnen Schritt, während wir mit unserem Übergepäck den Berg hochstiegen. Jede Bewegung kostete enorm viel Kraft. Dann in 4.700 m Höhe errichteten wir die den kleinen blauen Punkt. Es war tatsächlich eine Hütte, die zu unserem Basislager wurde. Es war Nachmittag und ich machte mich auf den Weg um Wasser zu suchen. Wo ein Gletscher war, musste auch ein Bach sein. Hinter der Hütte folgte ich einem kleinen Steig Richtung Osten. Nach ungefähr zehn Minuten war ich am Gletscherrand und schöpfte frisches, sauberes Wasser in den Wassersack.

Die nächsten Tage wollten wir nur kleinere Spaziergänge machen und Ausbildung auf dem Gletscher betreiben. Ohne Gepäck, nur mit Stirnlampe und Stöcken zogen wir los. Es ging steil hoch. Auf dem zum Teil losen Untergrund rutschten wir ständig bergab und kamen nur mit Mühe voran. Letztendlich schafften wir es doch und standen sprachlos vor dem ewigen Eis. Uns ging es prima und erst als die Sonne unterging machten wir uns auf den Weg zurück zum Basecamp.

Nach drei Tagen hatten wir genug des Lagerlebens. Linda weiß inzwischen wie der Schweizer Flaschenzug geht und kann mich im Notfall auch aus einer Gletscherspalte ziehen, was hoffentlich nicht vorkommen wird. Jetzt wollten wir weiter und an anderer Stelle unser ureigenes Basislager errichten.

Und das sollte so nahe wie möglich am Gletscher sein. Wir fanden eine passende Stelle im Geröll, bauten eine Mulde und spannten unsere Plane darüber. Wir schliefen auf den harten Steinen wieder erwarten sehr gut und am nächsten Morgen ging es wieder weiter mit Lindas Ausbildung. Ich zeigte ihr, wie man mit Steigeisen geht, den Umgang mit dem Seil in einer Seilschaft und mit dem Eispickel. Dann schickten wir uns an, den weiteren Verlauf des Weges zu erkunden.

Zuerst ging der Weg auf Blankeis über einige Spalten, dann quer nach Westen und in einem Tal weiter in großen Serpentinen den Berg hoch. Plötzlich versperrten riesige Gletscherspalten den Weg. Der Versuch sie am Rand zu umgehen klappte nicht, die Wand war zu steil und es gab immer mehr Spalten, ein richtiges Labyrinth. Es blieb uns nichts anderes übrig, als diesen Bereich zu umgehen. Als wir wieder aus dem Talkessel heraus waren, sahen wir an dessen linker Schulter eine lang aufsteigende Flanke mit Einstiegsmöglichkeit. Dort wollten wir es morgen versuchen.

Abends packten wir unsere großen Rucksäcke, denn Morgen wollen wir mit voller Ausrüstung auf den Gletscher gehen. Bei Sonnenaufgang liefen wir los. Als wir den Gletscher erreichten, seilten wir uns an und gingen vorsichtig über die ersten Gletscherspalten. Hier setzte ich die ersten Wegmarkierungen und nach ein paar Serpentinen folgte die Querung nach Osten. Der Weg war leicht zu finden, denn die Spalten hoben sich deutlich vom Untergrund ab und auch erste dünne Risse in der Oberfläche waren gut zu erkennen. Mit den schweren Rucksäcken kamen wir natürlich nur langsam voran. Die Sonne stand schon hoch und weichten den Schnee schon auf doch zum Glück stollten die Steigeisen nicht.





Ab und zu hielten wir an und blickten zurück und hatten einen traumhaften Blick auf eine faszinierende Bergwelt. Kaum merklich änderte sich das Wetter, die Wolken türmten sich langsam immer höher auf. Wir gingen weiter, Serpentine folgte auf Serpentine und am Anfang der lang gezogenen Flanke machten wir Halt, um zu trinken. Die Wolkenbildung sah jetzt schon stark nach Gewitter aus und einem solchen wollten wir hier oben nicht schutzlos ausgeliefert sein. Zeit umzukehren. Ich markierte unseren Standort und prüfte mit dem Fernglas den möglichen weiteren Wegverlauf und suchte nach einem geeigneten Platz für ein Höhenlager. Laut Höhenmesser hatten wir genau 300 Höhenmeter geschafft. Nachmittags um zwei waren wir wieder in unserem Basislager und fernes Grollen kündigte das nahende Gewitter an.

Fest stand, wollen wir am nächsten Tag weiter kommen, müssen wir früher los. Also zogen wir, nach unserer all morgendlichen Tee Zeremonie und dem dazugehörigen Müsli Mix, mit unseren Stirnlampen noch bei völliger Dunkelheit los. Eine Stunde brauchten wir bis zum Gletscherrand und am Horizont war das erste Schimmern des Sonnenaufgangs zu erkennen. Wir stiegen den bekannten Weg hinauf und folgten unseren Markierungen. Es war ein unglaubliches Erlebnis, bei Sonnenaufgang immer höher den Gletscher hinaufzusteigen. Auch wechselten wir uns jetzt beim Führen ab, denn Linda hatte es schnell erlernt und es machte Ihr auch sichtlich Spaß. Nur das Wetter trübte die Stimmung. Früher, viel früher als am vorherigen Tag türmten sich dicke Wolken über das Vorland.

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