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 Buckelpiste
255 km mit dem Rennrad, davon 50 auf Kopfsteinpflaster
    
Buckelpiste Paris-Roubaix
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Insgesamt waren 3.000 km im Training absolviert, davon 1.000 km Ende April in Riccione (Italien). Von daher sollte der Klassiker Paris-Roubaix machbar sein, sagte sich Stefan Ebert vor seiner ersten Teilnahme dieser Tagestour. Tipps von Ex-Profis wurden befolgt: Ein zweites Lenkerband aufgelegt, 28 mm breite Treckingradbereifung statt der üblichen 23mm auf die Felge aufgezogen, ja sogar die Mehrzahl der Schrauben wurde mit Kleber am Gewinde gegen das Lösen bei der kommenden Beanspruchung gesichert.
Peloton
Trekkingreifen
Um 6:30 Uhr holt sich eine spontan gebildete Sechsergruppe den ersten Stempel am Start und geht in der Dämmerung auf die 255 km lange Strecke. Die Temperatur ist ausreichend, um im Kurzarmtrikot fahren zu können. Die gelben Zeichen „PR“ und ein Pfeil am Boden sind teilweise bereits stark verwittert und kaum zu erkennen. Der 37-jährige Franzose Graig aus Robaix, auch ein Deputant dieses Events, meint „c’est bon“ zur gewählten Richtung und keiner zweifelt an der Richtigkeit des Weges. An einer Stelle nicht richtig aufgepasst, und die Truppe fährt unfreiwillig eine Extraschleife von 10 km und erreicht erst deutlich später als geplant den Ort Noyon.
PR
Nach den ersten zwanzig Kilometern findet die kleine Gruppe eine größere mit vielen Engländern, Holländern und Italienern. So geht es in gutem Tempo bis zur ersten Verpflegungsstelle in Bohain (Kilometer 82) weiter nach Troisvilles, wo bei Kilometer 97 der erste Kontakt mit den berühmten „Katzenköpfen“, den historischen Pflastersteinen von PR, stattfindet. Kurz davor setzt Regen ein und das Pflaster muss mit äußerster Vorsicht überfahren werden. 2.200 Meter Kopfsteine befahren die Radler bei strömendem Regen. Dutzende verlorene Flaschen in den verschiedensten Farben liegen auf der Strecke, denen man ausweichen muss. Die Ausrüstung hält dieser ersten Rüttelprüfung stand. Bei Kilomter 108 gehen Michael aus Berlin und Stefan aus Grünstadt auf die dritte Steinstrecke - das Pavé von Quievy. Dieses bisher längste Stück hat es in sich, die 3,7 Kilometer sind bei dieser Nässe und dem Schlamm eine echte Herausforderung. In einer Senke hat sich das schlammige Wasser gesammelt und fließt als tiefes Gewässer quer über das Pflaster. Je nach gewählter Fahrspur reicht das Wasser sogar bis zum Tretlager und bedroht die Lebensdauer dieser Radkomponente. Wenige Meter später hat Michael einen Platten am Vorderrad. Der Schlauch wird im Regen gewechselt und weiter geht es bis zur zweiten Verpflegungsstelle in Solesmes (Kilometer 117). Gut gestärkt werden nun die Pavé-Abschnitte mit der Technik „hoher Gang“ und möglichst zügigem Tempo überwunden. Bei Kilometer 128 stürzt Uwe aus Radeberg auf einem asphaltierten Bremshügel. Der Arm ist blutig geschürft und das verletzte Kinn muss mit acht Stichen im nächstgelegenen Krankenhaus genäht werden. Für Uwe ist hier leider das Abenteuer PR beendet.
Naesse und Schlamm
Obwohl das Kopfsteinpflaster auf den ersten Blick gleich grob aussieht, ist die Anforderung an Rennrad und Fahrer sehr unterschiedlich. So gibt es Sektionen, bei denen die Abstände breit und tief genug sind für einen Rennradreifen. Mit Udo aus Radeberg gesellt sich ein weiterer bekannter Teilnehmer zu den beiden. Bei Kilometer 157 erreicht das Trio nun das berüchtigte Pavé von Arenberg. Hier werden die Räder einem Extremtest auf dem bisher gröbsten Pflaster mit einem Maximum an Höhen- und Spaltendifferenzen unterzogen, dabei kommt es häufiger zum ungewollten Kontakt der Felge mit dem Stein. Unvorstellbar, dass auf diesen groben Steinen ein Rennen ausgetragen wird. Der Respekt vor den Profis steigt mit jedem gefahrenen Kilometer.
Feldweg
Nachdem das Wetter für ca. 1,5 Stunden mitgespielt hat, wird es erneut schwarz am Himmel. Kurz darauf ergießt sich ein heftiger Schauer über die Fahrer. Bis zur nächsten Verpflegungsstelle bei Kilometer 188 in Beuvry la Foret regnet es kräftig. Nach der Stärkung mit Sandwiches, einer willkommenen Abwechslung zu Riegeln, Keksen und Kuchen, trocknet die Sonne die durchnässten Trikots der Fahrer ein wenig. Radhosen und Schuhe bleiben nass!
Verpflegungsstelle
Zu den bereits gefahrenen 13 Pavés kommen jetzt mehrere mit bis zu drei Kilometern Länge hinzu, auf denen die Arme durch die Summe der heftigen Vibrationen zu schmerzen beginnen. Im Pavé du Calvaire, kurz vor Wannehain, werden die drei Radler zu einer Pause gezwungen, da Michael einen weiteren Platten hat. Ab sofort nutzen die drei gelegentlich auch die Seitenstreifen zum besseren Fortkommen. Doch diese angenehmen Seitenstreifen müssen immer wieder verlassen werden, da sich tiefe Schlammpfützen gebildet haben. Artig wird daher überwiegend das Pflaster genutzt.
Pflasterspass
Pavé Nr. 4, das Viertletzte von 28, das P. du Carrefour de l’Abre überschreitet zum letzten Mal die zwei Kilometermarke. Danach folgen Pavé de Gruson mit nur 1,1 km und Pavé de Hem mit 1,4 km Länge. Anschließend „genießen“ die Fahrer das finale Crupelandt-Pflaster (Pavé Nr. 1) mit nur 300 Metern Länge und vergleichsweise „komfortablem Rütteln“ und biegen kurz darauf in Roubaix rechts in das Velodrom ein. Im Gegenuhrzeigersinn wird in diesem Stadion nun voll in die Pedale getreten und Sekunden später ist nach 265 km gegen 19 Uhr das Ziel erreicht. Stolz nehmen die Finisher ihre Trophäe, den eigenen Pflasterstein mit Beschriftung „Paris-Roubaix Cyclo“, entgegen, der von nun an andere Velo-Begeisterte zu Hause beindrucken soll.
verdreckt
Hinterrad
Schmuddelwetter
Windmühle
Pflasterstein Trophäe
Text: Stefan Ebert, Fotos: Michael Grontzki und Stefan Ebert