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Im Nationalpark Berchtesgaden |
Hoch über dem Königssee |
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Am Landungssteg Königssee herrscht an diesem traumhaft schönen und sehr warmen August-Samstag schon morgens der übliche Touristenrummel. Eine japanische Reisegruppe, deren Mitglieder mit heimischen Jägerhüten bewaffnet sind, formiert sich zum Angriff auf die dramatische bayerische Hochgebirgswelt. Eines von 14 gemütlichen Elektropassagierschiffchen bringt uns beschaulich über den tiefblauen See Richtung St. Bartholomä. Unser Bootsmaat lässt auf gut schriftdeutsch-bayrisch die üblichen honorarträchtigen und nahe an der Gürtellinie befindlichen Witze der alpinen Bergwelt auf uns Passagiere herniederprasseln. |
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Nach einem erfolgreichen Kickback-Jodler an der Echowand der rechts neben uns monumental aufragenden Watzmann-Steilwand lässt er den Klingelbeutel für mehrere kleine Bierchen kreisen. Der Trompeter hat auch noch für unseren Walter "Happy Birthday" in die Echowand hineinintoniert, was Zusatzbakschisch bedeutet. Nach kurzem Anlegen in St. Bartholomä gleiten wir weiter durch kristallklares Kaltwasser Richtung Endstation Salet. Letztes Jahr sind wir 9 zusammen zur selben Jahreszeit in Tansania erfolgreich auf den Kilimanjaro hinaufgekraxelt und sehen uns hier zum Jahrestag in alter Frische wieder. |
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Für Wanderungen hoch über dem Königssee bietet sich vorzugsweise die Zeit von Juli bis Anfang Oktober an. Vorher liegt in den Hochlagen meist zu viel Restschnee, der Wanderungen gefährlich macht. Als anspruchsvollere Alternative zur sogenannten "Saugasse", die von St. Bartholomä aus in vielen Serpentinen problemlos zum Kärlingerhaus hinaufführt, wählen wir von Salet aus den interessanteren Sagerecksteig. Trittsicherheit ist hier erforderlich, und wenn man schwindelfrei ist, schadet das sicher auch nicht. Der Steig ist gut mit Drahtseilen gesichert und bietet traumhafte Aussichten auf den tiefblauen Königs- und Obersee, die von gigantischen Felswänden eingerahmt werden. Nach 4 heissen Aufstiegsstunden durch abwechslungsreiches Gelände mit viel Auf und Ab lassen wir das prickelnd kühlende Nass des auf 1500 Meter Seehöhe gelegenen Grünsees an unsere gut durchgewärmten Astralkörper. An der Oberfläche misst mein interner Bordcomputer ca. 18 Grad, 30 cm tiefer nur noch maximal 10! |
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Gut erfrischt und fast runderneuert erreichen wir nach einer weiteren Stunde das auf 1650 Meter Seehöhe gelegene Kärlingerhaus. Die Versorgung der bis zu 200 dort übernachtenden Bergwanderer erfolgt ausschließlich durch Helikopter. Am Haus angekommen bietet sich uns ein atemberaubender Anblick. Nur wenige Höhenmeter unter uns liegt in einem grünen Talkessel der geheimnisvolle Funtensee. Dahinter türmen sich eindrucksvoll die gewaltigen Felsformationen des "Steinernen Meeres" auf. Dem Funtensee und Herrn Kachelmann ist es zu verdanken, dass Berchtesgaden mit Minustemperaturrekorden aufwarten kann.
Offiziell wurden hier im Winter bereits -47 Grad Celsius gemessen. Inoffiziell sogar unter -50 Grad. Das liegt angeblich an den topografischen Besonderheiten der karstigen Gegend. Wir nutzen die Gunst der Stunde und des wärmsten Wochenendes des Jahres zu einem weiteren Bad an der kältesten Stelle Deutschlands. Gleich neben der Wetterstation peitsche ich die heute gar nicht so dramatisch kalten Fluten. Oben 17, unten 4 Grad! Am Strandliegen mit Blick über den magischen See und das Kärlingerhaus diverse jüngere Bergwanderinnen, welche sich in Bikini tragende Strandschönheiten verwandelt haben.
Die Nacht vergeht nach diversen Schoppen süffigen Rotweins im für unsere Gruppe exklusiv geblockten "Wolpertinger-Lager" rasch. Flauschige Decken über unseren mitgebrachten Hüttenschlafsäcken machen den Aufenthalt recht gemütlich. Keiner schnarcht. Wir kennen uns ja bereits aus etlichen, bis zu -14 Grad kalten tansanischen Nächten im Zelt, welche nicht immer ganz so behaglich waren. Das Bergfrühstück ist bemerkenswert reichhaltig und gut. Leckerbissen des Berchtesgadener königlichen Hofmetzgers und andere Leckerbissen wurden für uns exklusiv per Heli eingeflogen. Dazu gibt es ordentlich gebrauten Kaffee und diverse Fruchtsäfte. Der Tag kann kommen!
Er kommt mit mystischem Nebel über dem Hochtalgrund und dem Funtensee. Wir steigen durch diese Märchenlandschaft, die durchaus Hexen, Feen, Trolle und ähnliche Sagengestalten beinhalten könnte, an der "Teufelsmühle" vorbei in einer guten Stunde auf den Viehkogel. Aus der Felswand, nahe des Sees, dringen Geräusche einer im Untergrund vorbeirauschenden U-Bahn. Tatsächlich ist es der unterirdische Wasserfall des abfließenden Funtensees.
Auf dem Gipfel angekommen weitet sich der Blick auf den wie dunkle Tinte im Talkessel liegenden Königssee. Links ragen die Steilwände des 2. höchsten Berges Deutschlands, dem Watzmann, in makellos blauen bayrischen Himmel, rechts erkenne ich die Bergkuppe mit der Gotzenalm. Diese Alm ist auch gut auf recht kernig harter Strecke per Mountainbike erreichbar.
Hier trennt sich die Spreu der Biker vom Weizen! Hinter uns türmt sich, eingerahmt von grünen Bergkiefern und Latschen die Schönfeldspitze als signifikanter Gipfel des "Steinernen Meeres" über 2600 Meter auf. Wir kommen im Absteigen wieder am Kärlingerhaus vorbei und wählen die Variante über die Wasseralm. Wir erreichen sie nach gut vier Stunden via Grünsee und den Schwarzensee. Teilweise sieht der Bergwald recht übel und mitgenommen aus. Was der Orkan Wibke nicht zerstören konnte, besorgt nun der Borkenkäfer. Im Nationalpark bleibt alles liegen, wie es ist. Man geht davon aus, dass sich der Borkenkäfer an dem vielen Holz überfressen und daran irgendwann eingehen wird.
Die Wasseralm ist für Hirschfütterungen bekannt und gilt als der entlegenste Ort Deutschlands. Tatsächlich ist die Alm nur mit dem Helikopter oder über einen exponierten Klettersteig erreichbar. Mit diesem sogenannten Röthsteig haben wir es die nächsten drei Stunden zu tun.
Wir hangeln uns die schottrigen Steilabfälle am stets präsenten Drahtseil hinunter und freuen uns über die gewaltige Szenerie von Ober- und Königssee im Angesicht des Watzmannmassivs.
Langsam aber sicher erinnern mich meine Knie daran, dass es sich heute doch um eine recht ausgedehnte Wanderung handelte. Da kommt mir ein Sprung in den äußerst erfrischenden Obersee gerade recht. Parallel zur Bergwanderung ergibt sich somit eine echte 4-Seen-Badetour. In Salet am Bootssteg angekommen reihen wir uns diesmal hinter einer koreanischen Reisegruppe ein. Deren Mitglieder sind mit Sonnenschirmen bewaffnet, um ihre weiße Hautfarbe nicht zu verlieren und keinen Hitzschlag zu erleiden.
Es war eine traumhafte Bergwanderung. Trittsicherheit und gute Kondition vorausgesetzt, gehört sie sicherlich mit zu den Trekking-Highlights der europäischen Bergwelt.
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Text und Fotos: Bernd Schuster |
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